26 I Mirko Breitenstein
seinem kurzen Traktat „Vom klösterlichen Leben“ charakterisierte Honorius
das Kloster selbst als eine Hölle, in der die Büßer brennen und die Übelwollen-
den und Hartherzigen bestraft würden.44 Im Elucidarium wiederum unter-
schied der gleiche Honorius eine obere von einer unteren Hölle: Während die
obere Hölle der untere Teil der Welt sei, wäre die untere ein rein geistiger Ort, in
dem gleichwohl ein unauslöschliches Feuer brenne.45 Es scheint, als habe Hono-
rius sich weder für die eine noch die andere Deutung der Hölle entscheiden und
damit weder die realistische noch die metaphorische Sichtweise zur ausschließ-
lichen machen wollen. Und so kann es nicht überraschen, wenn er trotz eigener
entsprechender Äußerungen in seinem Speculum ecclestae feststellte, dass es Un-
gläubige gebe, die nicht an das glauben würden, was da komme, und dadurch
überdies auch andere vom Licht des Heils abhielten.46
Folge: Das Gewissen als Hölle
Zwar waren nur die Wenigsten bereit, die Existenz der Hölle als Realort zu be-
streiten, doch schien es ein Ansatz, neben die körperlichen Jenseitsstrafen noch
solche zu stellen, die unmittelbar auf die Seele des Menschen bezogen werden
konnten. Gerade aber, weil sich ihre klare und eindeutige Interiorisierung, wie
sie von Origenes angedacht worden war, nicht durchsetzte, blieb die Hölle eine
subtracta ad loca spiritualia et poenalia, corporibus similia ducitur crucianda. Sextus infernus
est, cum anima, corpore penitus mortuo, non corporalia, sed spiritualia corporalibus similia
patitur, sed et dolore, moerore ac tristitia afficitur. Hic quia corporah est inferior et depressior,
infernus inferior vocatur [...] Septimus infernus est ignis aeternus, in quem anima cum recepto
corpore truditur in die judicii cum daemonibus semper crucianda. Utrum autem hic infernus
in hoc mundo, an extra mundum futurus sit, ignoratur. Honorius Augustodunensis, Scala
coeli maior, cap. 18, in: PL 172, Sp. 1237.
44 Nono est [vita claustrali] similis inferno, in quo poemtentespurgantur, malevoli et duricordes
suppliciis cruciantur., Ders., De vita claustrali, in: PL 172, Sp. 1248., vgl. hierzu und zum
Zusammenhang: Jörg Sonntag, Die Metaphorik des christlichen Klosters im Mittelalter, in:
Ders. (Hg.), Geist und Gestalt. Monastische Raumkonzepte als Ausdrucksformen religiöser
Leitideen im Mittelalter (Vita regularis. Abhandlungen 69), Berlin 2016, S. 3-17.
45 Duo sunt inferni: superior et inferior. Superior, infima pars huius mundi [...] Inferior autem
locus spiritualis, ubi ignis inexstinguibilis., Honorius Augustodunensis, Elucidarium 3,13,
Yves Lefevre, L’Elucidarium et les lucidaires, Contribution, par l’histoire d’un texte, ä
l’histoire des croyances religieuses en France au moyen äge (Bibilotheques des Ecoles Fran-
qaises d’Athenes et de Rome 180) Paris 1954, S. 343-477, hier S. 447; in anderen Schriften
präsentiert Honorius jedoch auch andere, realistischere Deutungen; vgl. Goetz, Gott und
die Welt (wie Anm. 23), S. 114; zu den Jenseitsvorstellungen des Honorius vgl. Carozzi, Le
voyage (wie Anm. 27), S. 544-549.
46 Sunt autem infideles quifutura non credunt et alios a luce fidei detrahunt., zitiert nach: Hein-
rich von Melk, hg. von Richard Heinzel, Berlin 1867, S. 136.
seinem kurzen Traktat „Vom klösterlichen Leben“ charakterisierte Honorius
das Kloster selbst als eine Hölle, in der die Büßer brennen und die Übelwollen-
den und Hartherzigen bestraft würden.44 Im Elucidarium wiederum unter-
schied der gleiche Honorius eine obere von einer unteren Hölle: Während die
obere Hölle der untere Teil der Welt sei, wäre die untere ein rein geistiger Ort, in
dem gleichwohl ein unauslöschliches Feuer brenne.45 Es scheint, als habe Hono-
rius sich weder für die eine noch die andere Deutung der Hölle entscheiden und
damit weder die realistische noch die metaphorische Sichtweise zur ausschließ-
lichen machen wollen. Und so kann es nicht überraschen, wenn er trotz eigener
entsprechender Äußerungen in seinem Speculum ecclestae feststellte, dass es Un-
gläubige gebe, die nicht an das glauben würden, was da komme, und dadurch
überdies auch andere vom Licht des Heils abhielten.46
Folge: Das Gewissen als Hölle
Zwar waren nur die Wenigsten bereit, die Existenz der Hölle als Realort zu be-
streiten, doch schien es ein Ansatz, neben die körperlichen Jenseitsstrafen noch
solche zu stellen, die unmittelbar auf die Seele des Menschen bezogen werden
konnten. Gerade aber, weil sich ihre klare und eindeutige Interiorisierung, wie
sie von Origenes angedacht worden war, nicht durchsetzte, blieb die Hölle eine
subtracta ad loca spiritualia et poenalia, corporibus similia ducitur crucianda. Sextus infernus
est, cum anima, corpore penitus mortuo, non corporalia, sed spiritualia corporalibus similia
patitur, sed et dolore, moerore ac tristitia afficitur. Hic quia corporah est inferior et depressior,
infernus inferior vocatur [...] Septimus infernus est ignis aeternus, in quem anima cum recepto
corpore truditur in die judicii cum daemonibus semper crucianda. Utrum autem hic infernus
in hoc mundo, an extra mundum futurus sit, ignoratur. Honorius Augustodunensis, Scala
coeli maior, cap. 18, in: PL 172, Sp. 1237.
44 Nono est [vita claustrali] similis inferno, in quo poemtentespurgantur, malevoli et duricordes
suppliciis cruciantur., Ders., De vita claustrali, in: PL 172, Sp. 1248., vgl. hierzu und zum
Zusammenhang: Jörg Sonntag, Die Metaphorik des christlichen Klosters im Mittelalter, in:
Ders. (Hg.), Geist und Gestalt. Monastische Raumkonzepte als Ausdrucksformen religiöser
Leitideen im Mittelalter (Vita regularis. Abhandlungen 69), Berlin 2016, S. 3-17.
45 Duo sunt inferni: superior et inferior. Superior, infima pars huius mundi [...] Inferior autem
locus spiritualis, ubi ignis inexstinguibilis., Honorius Augustodunensis, Elucidarium 3,13,
Yves Lefevre, L’Elucidarium et les lucidaires, Contribution, par l’histoire d’un texte, ä
l’histoire des croyances religieuses en France au moyen äge (Bibilotheques des Ecoles Fran-
qaises d’Athenes et de Rome 180) Paris 1954, S. 343-477, hier S. 447; in anderen Schriften
präsentiert Honorius jedoch auch andere, realistischere Deutungen; vgl. Goetz, Gott und
die Welt (wie Anm. 23), S. 114; zu den Jenseitsvorstellungen des Honorius vgl. Carozzi, Le
voyage (wie Anm. 27), S. 544-549.
46 Sunt autem infideles quifutura non credunt et alios a luce fidei detrahunt., zitiert nach: Hein-
rich von Melk, hg. von Richard Heinzel, Berlin 1867, S. 136.