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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Editor]; Melville, Gert [Editor]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0047
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Doctrina privata und doctrina publica I 43

der Prophetie“ grundsätzlich über der Gnade der gelehrten Rede, also der Pre-
digt. Der Frau ist, wie anhand einer Reihe biblischer Beispiele erläutert wird, die
Gabe der Prophetie gegeben, weshalb ihr auch die Gnade der Predigt, also der
Unterweisung in die theologischen Wahrheiten zukommt.25 Dagegen steht frei-
lich das vielzitierte Gebot des ersten Paulusbriefes: „Die Frauen sollen in der
Kirche schweigen“ (mulieres in ecclesiis taceant, I Cor 14) sowie sein Verbot:
„Ich erlaube der Frau nicht zu lehren.“ (docere mulieri non permitto, I Tim 2).
Thomas von Aquin formuliert dann als responsum eine alte, äußerst wirkmäch-
tige Unterscheidung, die die Kirche bezüglich der Stellung der Frau getroffen
hatte und die ihr - vermutlich in Analogie zu der Stellung der Ehefrau - ,das
Haus* als spezifischen Wirkungsrahmen zuwies: Die gelehrte Rede, so sagt Tho-
mas von Aquin, kann von jedem Menschen in zweifacher Weise ausgeübt wer-
den, erstens im „vertraulichen Gespräch“ (familiariter colloquendo) und zwei-
tens in der öffentlichen Rede {publice alloquendo). Privat zu einem oder zu
wenigen zu reden, komme den Frauen zu,26 denn es ist die private Lehre (doc-
trina privata), mit der die Mutter den Sohn unterweist (Prov. 4).27 Die öffentli-
che Rede hingegen war den Frauen nicht gestattet. Mit der ,doctrina privata* war
implizit auch die Unterweisung der Gemeinschaft durch die Vorsteherin auon-
siert, die die Nonnen wie eine Mutter ihre Töchter anleiten sollte. Drei Gründe
führt der Dominikaner für den Ausschluss der Frauen von der öffentlichen
Lehre an, die später etwas modifiziert immer wieder aufgegriffen wurden: Ers-
tens und grundsätzlich aufgrund der Stellung des weiblichen Geschlechts, das
dem Mann unterstellt ist (Gen 3). Das öffentliche Lehren in der Kirche komme
nicht den Untergebenen sondern nur den Vorstehern, den Prälaten, zu.28 Zwei-
tens damit die Seelen der Menschen nicht zur Ausschweifung angereizt werden
und drittens, Aristoteles folgend, weil die Frauen aufgrund ihrer Schwäche, infir-
mitas „in der Weisheit nicht vollendet sind, so dass ihnen die öffentliche Lehre
25 Ebd., q. 177 a. 2 arg. 2, S. 741: Praeterea, maior est gratia prophetiae quam gratia sermonis,
sicut maior est contemplatio veritatis quam eins enuntiatio. Sed prophetia conceditur muhe-
ribus [...].
26 Ebd., Summa Theologie, Ila liae, q. 177 a. 2 ra, 741: Respondeo dicendum quod sermonepotest
aliquis uti dupliciter; uno modo, private ad unum vel paucos, familiariter colloquendo. Et
quantum ad hoc, gratia sermonis potest competere mulieribus.
27 Ebd., q. 177 a. 2 ad 1, S. 741: Ad primum ergo dicendum quod illa auctoritas loquitur de doc-
trina privata, qua mater filium erudit.
28 Ebd., q. 177 a. 2 ad 1, S. 741: Alio modo, publice alloquendo totam ecclesiam. Et hoc mulieri
non conceditur. Primo quidem, et principaliter, propter conditionem feminei sexus, qui debet
esse subditus viro, utpatet Gen. III. docere autem etpersuadere publice in ecclesia nonperti-
net ad subditos, sed ad praelatos. Magis tarnen viri subditi ex commissione possunt exequi,
quia non habent huiusmodi subiectionem ex naturali sexu, sicut mulieres, sed ex aliquo acci-
dentaliter supervenienti.
 
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