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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Editor]; Melville, Gert [Editor]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0049
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Doctrina privata und doctrina publica I 45

frauen in das Nürnberger Klarissenkloster einmarschieren und diese ihr Klos-
terleben nach allen Regeln der Kunst evaluieren lässt - eine geistliche Selbst-
visitation!33 Der reformtreue Johannes Meyer (1422-1485) fasst die Predigtpraxis
in den dominikanischen Frauenkonventen im 15. Jahrhundert in seinem Amt-
erbuch systematischer: Er empfiehlt den Schwestern, die die geistlichen An-
sprachen, die collacien, vor der Kommunion zu den großen Hochfesten an die
Gemeinschaft halten, wenn sie die Materie wol und eigentlich gelert und stu-
diert haben. Falls sie ihre Predigt schriftlich ausgearbeitet haben, sollen sie sie
vorher einem Priester zeigen. Auch sollen sie eine zur Jahreszeit und zum Fest-
tag passende Materie wählen; die Predigt am Gründonnerstag sollte eine beson-
ders gebildete Schwester halten, an Weihnachten und Verkündigung Marie
die Priorin aber selbst im Kapitel predigen.34 Das wollte gelernt sein. Acklin-
Zimmermann zufolge haben diese regelmäßigen, vor dem versammelten Kon-
vent gehaltenen Kapitelsreden wesentlich zu dem hohen Bildungsniveau der
Dominikanerinnen beigetragen.35
Die Frauenkonvente könnte man insofern als „Bildungsgemeinschaften“ be-
greifen, deren Wissen charakteristischerweise auf die Auslegung der Liturgie
hin geordnet und angelegt war. Ausdruck und Ergebnis konventsintern ausge-
bildeter und vermittelter gelehrter Bildung ist auch die vielschichtige und fast
einzigartige Liturgieexegese, die in den um die Mitte des 14. Jahrhunderts ge-
schriebenen Chorbüchern aus dem Dominikanerinnenkloster Paradiese bei
Soest greifbar wird. Die Chorbücher sind von den Frauen nicht nur selbst
derts‘, in: Festgabe für Heinrich Finke, Münster 1904, S. 41-105, hier S. 46: [...] das der Con-
vente belibe in dem geistlichen und in dem ernste, und mante si flissechchen daran, und sun-
derlich m dem cappittel warent ir manungen also gross und hattent also vil ernstes und flisses,
[...] das man geistlich sach, das ettlich er priorin ein briefe wart fürgeh ept, do si cappittel hielt,
ab dem si lass alle die manuunge und reden di si mit dem convente tet.
33 Otto Bonmann, Eine unbekannte Weihnachtsansprache der Charitas Pirckheimer, in: Fran-
ziskanische Studien 24, 1937, S. 182-189.
34 Sarah Glenn DeMaris, Johannes Meyer. Das Amptbuch (Monumenta Ordinis Fratrum Pra-
edicatorum Historica 31), Rom 2015, S. 271-72: Jtem si [nämlich die in den artes gut unter-
wiesenen Schwestern] sond öch nit sin zu gütig vnd begirig vf die bücher; vnd was si hand,
sond si den andren och geren lihen vnd si vnder wisen, vnd in welen clöstren die gewonheit
ist, dz man enpfi.lt etwan etlichen swestren, das si colacio tun sond zu den hohzitten, so man
von alter gewonheit des Ordens zu dem heilligen sacrament so gan, so sond si es vor gar wol
vnd eigentlichen gelert vnd gestudiert haben, vnd den priesteren mögent si dz vor zöigen, ist
sach, dz si ir collacio, dz ist irpredige, die si dem convent in dem capitel oder refental ist tun,
in geschrifft hat gesetzet, vnd die swester, die denn predigen söl oder collacio tun söl, die söl
alwegen solliche mattery für sich nehmen als sich denn gelegenheit des zitz vnd hohtzit ergibet
[...] aber an dem heilligen wiennacht oben vnd an vnser lieben frawen oben annunciacionis,
so sol es die priorin selbs in dem capitel tün.
35 Beatrice Acklin-Zimmermann, Gott im Denken berühren. Die theologischen Implikatio-
nen der Nonnenviten, Dokimion 14, Fribourg 1993, S. 39.
 
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