Metadaten

Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Editor]; Melville, Gert [Editor]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0061
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Das urkirchliche Ideal der Franziskaner als Maßstab der Kirche I 57

dort versammelten Würdenträgern waren auch einige, die dem Franziskaneror-
den entstammten, wie etwa Enrico IE, der Bischof von Lucca, Hieronymus, der
Bischof von Caffa, oder Arnaldo Royal, der Erzbischof von Salerno und der Kar-
dinal Vitalis de Furno - sie alle schlossen sich der inkriminierten Auffassung
Berengars an20. Johannes XXII. hob daraufhin durch die Bulle Quia nonnum-
quam vom 26. März 132221 das Verbot auf, die Bulle Exiit qui seminat zu glossie-
ren, und eröffnete so faktisch die Diskussion über eine von seinem Vorgänger
längst entschiedene Frage neu22. Da diese ihrerseits als Interpretation der Regel
der Franziskaner verlautbart worden war, protestierte deren Generalkonzil in
19 Ebd.
20 Bullarium Franciscanum (wie Anm. 4), Bd. 5, Sp. 224, Anm. 1; interessant ist hierbei, dass
offenbar auf päpstlicher Seite schon deutlich geworden ist, dass der Widerspruch zu Exiit qui
seminat kaum fortzudiskutieren war, weswegen Johannes XXIL zu dem Argument griff,
Nikolaus III. habe diese Bulle ohne Beteiligung der Kardinale erlassen (s. ebd. die Argumen-
tation Enricos II. gegen diese Behauptung; Miethke, Johannes XXII. [wie Anm. 4], S. 270f.,
macht den Kontext dieser Aussage darin deutlich, dass Johannes XXII. selbst tatsächlich
seine Entscheidungen in der Regel in konsistorialen Zusammenkünften überprüfte und dis-
kutierte). Einen ausführlichen Bericht über das Konsistorium bietet Nold, Franciscan Car-
dinal (wie Anm. 4), S. 12-17, aufgrund einer Interpolation in die italienische Version der
Chronik des Nicolaus Minorita. Ulrich Horst, Evangelische Armut und päpstliches Lehr-
amt. Minoritentheologen im Konflikt mit Papst Johannes XXII. (1316-34) (Münchener Kir-
chenhistorische Studien 8), Stuttgart u. a. 1996, S. 28, arbeitet heraus, dass die Reaktion der
franziskanischen Kardinäle, neben Vidal du Four vor allem Bertrand de la Tour, schärfer war
als die der Franziskaner, ja, dass sie sogar das Generalkapitel zu einem massiveren Protest
animieren wollten, als dieses dann tatsächlich zu leisten bereit war.
21 Bullarium Franciscanum (wie Anm. 4), Bd. 5, Sp. 224f. (Nr. 464). Mäkinen, Property Rights
(wie Anm. 9), S. 146, verweist zu Recht auf den engen zeitlichen Zusammenhang mit der
Verurteilung von Olivis Lectura in Apocalpysim (vgl. die Zensur dieses Textes durch ein
hierzu beauftragtes Gremium in: Stephanus Baluzius, Tutelensis Miscellanea novo ordine
digesta et non paucis ineditis monumentis opportunisque animadversionibus aucta opera ac
Studio Joannis Dominici Mansi Lucensis, Bd.2, Lucca 1761, S. 258-270); das Vorgehen gegen
Olivi war wiederum nur Teil einer zugespitzten Politik Johannes' XXIL gegen die Spiritua-
len in Südfrankreich (s. David Burr, The Spiritual Franciscans. From Protest to Persecution
in the Century After Saint Francis, Pennsylvania 2001, S. 191-212); aus Perspektive der Kurie
in Avignon musste es bedenklich erscheinen, dass die Debatte um die Armut ausgerechnet in
Narbonne, dem Zentrum des Olivi-Kultes (s. ebd. 227f.), neu angestoßen wurde und sich nun
eine Allianz zwischen Franziskanern und Beginen / Begarden abzuzeichnen schien.
22 Nicht ganz unproblematisch ist es, wenn Horst, Evangelische Armut (wie Anm. 20), S. 194,
in seiner Deutung von Exiit qui seminat gewissermaßen versucht, die Problematik von Jo-
hannes XXIL auf Nikolaus III. zurückzuverlagern: „Die Stärke der Bulle, die juristische
Präzision, die man allein für geeignet hielt, sämtlichen Eventualitäten vorzubeugen, enthüllt
zugleich ihre Schwäche: Die nunmehr erreichte Gestalt, in die eine wechselvolle Geschichte
eingegangen war, ließ sich nur bewahren, wenn man sie der öffentlichen Diskussion entzog.“
Der Hintergrund des Glossierungsverbots lag darin, dass Nikolaus III. nur hierdurch die
Möglichkeit sah, die scharfe und unfruchtbare Diskussion im Franziskanerorden zu einem
autoritativen Ende zu bringen (s. Mäkinen, Property Rights [wie Anm. 9], S. 95).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften