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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Editor]; Melville, Gert [Editor]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0063
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Das urkirchliche Ideal der Franziskaner als Maßstab der Kirche I 59

Ansprüche der Franziskaner, den anderen Mendikanten überlegen zu sein30.
Entsprechend rasch und heftig kam der Protest der Minoriten31. Doch die Ent-
scheidung in der Bulle Cum inter nonnullos vom 12. November 132332 erfolgte
nicht in deren Sinne: Ausdrücklich erklärte der Papst nun, dass die Behauptung
dominum lesum Christum eiusque Apostolos in speciali non hahuisse alicpua, nec
in communi als häretisch anzusehen sei33. Damit war dem Orden seine biblisch-
theologische Grundlage genommen, und Johannes XXIL demonstrierte seinen
Durchsetzungswillen: Am 1. Dezember 1323 ordnete er gegenüber den Bischö-
fen von Ferrara und Bologna an, sie sollten einen Guilelmus Anglicus genannten
Franziskaner, der dort weiterhin behauptete, es sei häretisch, Christus und den
Aposteln einzelnen oder gemeinsamen Besitz zuzusprechen, binnen eines Mo-
nats an die Kurie überstellen34. Als auch noch Ludwig der Bayer in dem soge-
nannten Minoritenexkurs der Sachsenhäuser Appellation vom 24. Mai 132435 die
Anliegen der Franziskaner aufnahm, sah Johannes XXIL sich veranlasst, seine
30 Bullarium Franciscanum 5 (wie Anm. 4), Sp. 2441 (Nr. 486). Diesen Sonderanspruch der
Franziskaner hebt Horst, Evangelische Armut (wie Anm. 20), S. 89, als das Kardinalprob-
lem der franziskanischen Position hervor.
31 S. Miethke, Sozialphilosophie (wie Anm. 2), S. 379-385, zu dem Protestschreiben Bonagra-
tias von Bergamo vom 14. Januar 1323.
32 Corpus iuris canonici. Extravag. loannis XXII. tit. 12 c. 4 (CIC [wie Anm. 7], Bd. 2, Sp.
12291).
33 Ebd., Sp. 1230.
34 Bullarium Franciscanum (wie Anm. 4), Bd. 5, Sp. 259 (Nr. 520); vgl. hierzu Miethke, Sozi-
alphilosophie (wie Anm. 2), S. 399.
35 Ludwig IV., Appellatio tertia. Forma posterior, 24.5.1324 (Monumenta Germaniae Historica.
Const. 5, S. 752,32 [Nr. 910]); zur Autorschaft s. Wittneben, Bonagratia von Bergamo (wie
Anm. 24), S. 251-253; Horst, Evangelische Armut (wie Anm. 20), S. 551., arbeitet vor allem
den theologisch-kirchenrechtlichen Gehalt des Minoritenexkurses heraus: Es ging darum,
deutlich zu machen, dass Johannes XXII. nicht allein von Nikolaus III., sondern von der
überwiegenden päpstlichen Tradition abwich und eben hierdurch sich selbst in offenkundi-
ges Unrecht setzte. Der Konflikt zwischen Johannes XXII. und Ludwig dem Bayern ist
knapp und konzis zusammengefasst bei Jürgen Miethke, Der Kampf Ludwigs des Bayern
mit Papst und avignonesischer Kurie in seiner Bedeutung für die deutsche Geschichte, in:
Hermann NEHLSEN/Hans-Georg Hermann (Hgg.), Kaiser Ludwig der Bayer. Konflikte,
Weichenstellungen und Wahrnehmung seiner Herrschaft (Quellen und Forschungen aus
dem Gebiet der Geschichte 22), Paderborn u. a. 2002, S. 39-74; vgl. auch Martin Kaufhold,
Die Kurie und die Herausforderungen der europäischen Politik: Standardverfahren oder ab-
gestimmte Handlungsstrategien?, in: Hans-Joachim ScHMiDT/Martin Rohde (Hgg.), Papst
Johannes XXII. Konzepte und Verfahren seines Pontifikats (Scrinium Friburgense 32), Ber-
lin/New York 2014, S. 263-277, 264-268; ausführlicher zu den Anfängen des Streits Dagmar
Unverhau, Approbatio - Reprobatio. Studien zum päpstlichen Mitspracherecht bei Kaiser-
krönung und Königswahl vom Investiturstreit bis zum ersten Prozeß Johann XXIL gegen
Ludwig IV. (Historische Studien 424), Lübeck 1973; zu den weiteren Entwicklungen Her-
mann Otto Schwöbel, Der diplomatische Kampf zwischen Ludwig dem Bayern und der
römischen Kurie im Rahmen des kanonischen Absolutionsprozesses 1330-1346 (Quellen
 
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