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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0066
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62 I Volker Leppin

festgestellt47. Danach hat er sich dann, offenbar recht bald, entschlossen, mit
den Ordensoberen gemeinsam die Flucht zu ergreifen - weswegen sein eigener
Häresieprozess nie zum Abschluss gekommen ist. Er wurde vorher, am 6. Juni
1328, mit der Begründung, sich dem Urteil des Papstes entzogen zu haben,
exkommuniziert48.
In der Auseinandersetzung um die Armutsfrage engagierte er sich dann in
den Jahren 1332/3449. In nur neunzig Tagen schrieb50 er das hiernach als Opus
nonaginta dierum benannte Werk nieder, welches im Wesentlichen eine Stück für
Stück am Text entlanggehende Widerlegung von Quia vir reprobus darstellte,
von dieser unmittelbaren argumentativen Konstellation ausgehend aber grundle-
gende Einsichten in das Verständnis von Eigentum und Nutzung entwickelte.
Ockham wandte alle Möglichkeiten seiner gediegenen scholastischen Ausbil-
dung für den Kampf mit dem Papst auf. Insbesondere in Auseinandersetzung mit
dessen wiederholter Behauptung, bei Verbrauchsgütern lasse sichproprietas vom
Gebrauch nicht unterscheiden51 differenzierte er das Verständnis von usus5--. hie-
runter könne man erstens, der augustinischen Unterscheidung folgend, den Ge-
gensatz zur fruitio verstehen, zweitens den Gebrauch einer äußerlichen Sache wie
Brot und Wein, drittens eine Gewohnheit, also usus im Sinne des deutschen Wor-
tes Brauch, und viertens schließlich ein spezielles Recht, aufgrund dessen es je-
mandem zustehe, ohne die Substanz aufzubrauchen, eine fremde Sache zu ge-
brauchen. Eben dies sei das juristische Verständnis.
Für die weitere Argumentation Ockhams signifikant und entscheidend ist
nun, dass er genau dieses juristische Verständnis nicht als leitend für den usus
simplex facti ansah53. Es sei in der Theologie wie der Philosophie ungebräuch-
lich54 und habe einen klaren, aber auch eingegrenzten Bedeutungsraum: Es gehe
in ihm nämlich um ein ius positiv um determinatum, institutum ex ordinatione
humana55.

47 Ockham, Opera Politica 3 (wie Anm. 46) S. 6, 14-21.
48 Johannes XXII. Schreiben vom 6. Juni 1328 (Bullarium Franciscanum [wie Anm. 4], Bd.5,
Sp. 348 [Nr. 714]).
49 Zur Datierung des Opus nonaginta dierum s. Miethke, Sozialphilosophie (wie Anm. 2);
eine kurze Zusammenfassung des Opus nonaginta dierum auch bei Wilhelm Kölmel, Wil-
helm Ockham und seine kirchenpolitischen Schriften, Wessen 1962, S. 50-66.
50 Ockham, Opus nonaginta dierum, in: Guilelmi de Ockham Opera Politica. Bd. 2, hg. v. Hil-
lary S. Offler, Manchester 1963, 857, 459f.
51 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 2, 64—71 (Ockham, Opera Politica 1 [wie Anm. 10],
S. 299f.).
52 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 2, 80-98 (Ockham, Opera Politica 1 [wie Anm. 10],
S.300).
53 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 2, 99f. (Ockham, Opera Politica 1 [wie Anm. 10], S. 300).
54 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 2, 95f. (Ockham, Opera Politica 1 [wie Anm. 10], S. 300).
55 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 2, 127f. (Ockham, Opera Politica 1 [wie Anm. 10], S. 301).
 
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