Neue Kommunikationsformen im Bettelordenskonvent I 185
Informationsnetzwerke führte. Diese Vielfalt der Handlungsräume der Mendi-
kanten in der städtischen Gesellschaft spiegelt sich in den zahlreichen, in den
Konventen entstandenen Quellen wider.
Am Beispiel der englischen Franziskaner lässt sich das anschaulich dokumen-
tieren: In den von den Franziskanern zwischen ihrer Ankunft in England im
Jahr 1224 und der Auflösung der Klöster 1539 überlieferten Quellen dominieren
literarische, chronistische und paränetische Schriften. Nicht ein einziges Pro-
vinzstatut ist überliefert. Ganz wenige Spuren der ordensinternen Kommunika-
tion blieben über die Jahrhunderte erhalten. Stattdessen bietet das franziskani-
sche Schrifttum in England und Irland reichlich Anschauung für die lokale und
soziale Vernetzung und Mobilität der Brüder: Die Brüder in den englischen,
irischen und schottischen Konventen verschriftlichten neben der Gebrauchslite-
ratur für ihre Hauptaufgabe der Predigt, also Exempelsammlungen, wie der
Liber ad usum predicantium, Speculum laicorum, Fasciculus Morum etc., auf-
fallend viele „weltliche“ Texte.15
Dazu zählen reichlich Chroniken, wie die Chronik des Richard de Slikeburn,
die Lanercost Chronicle, die Chronik De Britannia et Britonum rebus gestis, die
Chronik des Thomas Otterbourne, die Chronik der Greyfriars of Lynn und die
der Brüder in London und Norwich, andererseits auch politische Schriften, wie
der berühmte „Song of Lewes“, in dem ein Franziskaner für Simon de Montfort
Partei ergreift oder die heute verschollene Biographie König Richards Löwen-
herz von Alexander von Haies. In irischen Konventen entstanden die Annalen
von Multyfarnham, die Chronik der Brüder in Clare, die Annalen des Bruder
John Clyn, die Annalen von Ross und Nenagh.
Daneben jedoch wurde - und darauf möchte ich hinaus - eine Fülle von Lie-
dern, Gedichten und literarischen Kurztexten überliefert, die Zeugnis von der
unmittelbaren Interaktion zwischen den Brüdern und ihrer Umwelt bieten. Ex-
emplarisch sei hier das Book of Kildare, London BL MS Harley 913 kurz vorge-
stellt. Verfasst um 1330, versammelt die Handschrift Balladen, Gedichte, Lieder
und Verse in mittelenglischer, anglonormannischer und lateinischer Sprache und
hat als eine kompakte Sammlung der ältesten mittelenglischen Denkmäler in
anglo-irischer Überlieferung die Aufmerksamkeit der Literatur- und Sprachwis-
senschaftler auf sich gezogen. Gemeinsam mit anderen vergleichbar heterogenen
Sammelhandschriften zählt sie zu den sogenannten „Eriars’ Miscellanies“.16
15 Annette Kehnel, The Narrative Tradition of the Medieval Franciscan Friars on the British
Isles. Introduction to the Sources, in: Franciscan Studies 63, 2005, S. 461-530.
16 Kildare-Gedichte. Die ältesten Mittelenglischen Denkmäler in Anglo-irischer Überliefe-
rung, ed. W. Heuser, Bonn 1904, ND Darmstadt 1967; Anglo-Irish Poems of the Middle
Ages, ed. Angela M. Lucas, Dublin 1995; vgl. Annette Kehnel, Poets, Preachers and Friars
Informationsnetzwerke führte. Diese Vielfalt der Handlungsräume der Mendi-
kanten in der städtischen Gesellschaft spiegelt sich in den zahlreichen, in den
Konventen entstandenen Quellen wider.
Am Beispiel der englischen Franziskaner lässt sich das anschaulich dokumen-
tieren: In den von den Franziskanern zwischen ihrer Ankunft in England im
Jahr 1224 und der Auflösung der Klöster 1539 überlieferten Quellen dominieren
literarische, chronistische und paränetische Schriften. Nicht ein einziges Pro-
vinzstatut ist überliefert. Ganz wenige Spuren der ordensinternen Kommunika-
tion blieben über die Jahrhunderte erhalten. Stattdessen bietet das franziskani-
sche Schrifttum in England und Irland reichlich Anschauung für die lokale und
soziale Vernetzung und Mobilität der Brüder: Die Brüder in den englischen,
irischen und schottischen Konventen verschriftlichten neben der Gebrauchslite-
ratur für ihre Hauptaufgabe der Predigt, also Exempelsammlungen, wie der
Liber ad usum predicantium, Speculum laicorum, Fasciculus Morum etc., auf-
fallend viele „weltliche“ Texte.15
Dazu zählen reichlich Chroniken, wie die Chronik des Richard de Slikeburn,
die Lanercost Chronicle, die Chronik De Britannia et Britonum rebus gestis, die
Chronik des Thomas Otterbourne, die Chronik der Greyfriars of Lynn und die
der Brüder in London und Norwich, andererseits auch politische Schriften, wie
der berühmte „Song of Lewes“, in dem ein Franziskaner für Simon de Montfort
Partei ergreift oder die heute verschollene Biographie König Richards Löwen-
herz von Alexander von Haies. In irischen Konventen entstanden die Annalen
von Multyfarnham, die Chronik der Brüder in Clare, die Annalen des Bruder
John Clyn, die Annalen von Ross und Nenagh.
Daneben jedoch wurde - und darauf möchte ich hinaus - eine Fülle von Lie-
dern, Gedichten und literarischen Kurztexten überliefert, die Zeugnis von der
unmittelbaren Interaktion zwischen den Brüdern und ihrer Umwelt bieten. Ex-
emplarisch sei hier das Book of Kildare, London BL MS Harley 913 kurz vorge-
stellt. Verfasst um 1330, versammelt die Handschrift Balladen, Gedichte, Lieder
und Verse in mittelenglischer, anglonormannischer und lateinischer Sprache und
hat als eine kompakte Sammlung der ältesten mittelenglischen Denkmäler in
anglo-irischer Überlieferung die Aufmerksamkeit der Literatur- und Sprachwis-
senschaftler auf sich gezogen. Gemeinsam mit anderen vergleichbar heterogenen
Sammelhandschriften zählt sie zu den sogenannten „Eriars’ Miscellanies“.16
15 Annette Kehnel, The Narrative Tradition of the Medieval Franciscan Friars on the British
Isles. Introduction to the Sources, in: Franciscan Studies 63, 2005, S. 461-530.
16 Kildare-Gedichte. Die ältesten Mittelenglischen Denkmäler in Anglo-irischer Überliefe-
rung, ed. W. Heuser, Bonn 1904, ND Darmstadt 1967; Anglo-Irish Poems of the Middle
Ages, ed. Angela M. Lucas, Dublin 1995; vgl. Annette Kehnel, Poets, Preachers and Friars