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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0190
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186 I Annette Kehnel

Als Verfasser, bzw. Kompilator gilt Bruder Michael von Kildare, ein Franzis-
kaner, Mitglied des dortigen Konvents. Diese Handschrift, so die These, doku-
mentiert die Heterogenität der im Konvent verarbeiteten Informationen in an-
schaulicher Konkretheit: MS Harley 913 enthält neben Predigten, liturgischen
Texten, Gebeten und Passionslyrik überwiegend weltliche Texte. Gedichte, wie
das „Land of Cockaygne“, die älteste englische Fassung des Schlaraffenland-
stoffes, Satiren, wie „The Abbot of Gloucester’s Feast“, eine „Missa de Potato-
ribus“, die „Passio unius Monachi secundum Bacum“, ein Traktat „De muliere“,
ein anderer „De illuminatione Librorum“, eine „Prophetia de regno Britano-
rum et Scotorum“ und wieder ein Gedicht über die Übel des Alters „Eide“, ein
„Fragmentum de Daemone“ gefolgt von der Auslegung der Zehn Gebote,
einem Wiegenlied „Lollai Lollai, lollai, litil child, whi wepistou so sore“ und
einer Klage über verschmähte Liebe „Loue hauith me brohgt in lithir thoght“.
Diese bunte Auswahl an Schriften - man kann aus anderen franziskanischen
Sammelhandschriften Rezepte gegen Bauchschmerzen, Textvorlagen zur Ab-
fassung von Briefen, Abhandlungen über die Falknerei oder Anleitungen für
Gespräche mit heiratswilligen jungen Damen ergänzen - dokumentiert an-
schaulich die Vielfalt und Heterogenität der im Bettelordenskonvent zusam-
menfließenden Informationen.
Dieser Fülle an Wissen, die im Konvent aus der lokalen Interaktion vor Ort
zirkulierte, stehen die täglich mit Brüdern aus anderen Konventen eintreffen-
den überregionalen und internationalen Nachrichten gegenüber. Bruder Salim-
bene de Adam aus Parma bietet Anschauung für die Dynamik der Wissensver-
arbeitung im Konvent in dem erhaltenen Fragment seiner stark biographisch
gehaltenen Chronik, die er als Greis um 1288 im Konvent in Reggio verfasste.
Nahezu alles, was er in seiner Chronik von seinen Reisen durch Italien und
Frankreich erzählt, hatte er zuvor mit den Brüdern in den Konventen bespro-
chen oder von diesen erfahren. Er spricht den Leser quasi als Mitbruder und
Zuhörer im Konvent an. Egal ob er die Weine Italiens und Frankreichs mitein-
ander vergleicht, von Friedrich II. berichtet, Bruder Elias schlecht macht oder
sich in genüsslicher Übertreibung daran zu erinnern meint, wie sein eigener
Vater sogar versucht habe, den Kaiser auf dem Weg durch Parma nach Italien
einzuschalten, um den Eintritt des Sohns in den Franziskanerorden zu verhin-
dern. Stets ist der Zuhörer präsent in Salimbenes Geschichte aus der internati-
onalen weiten Welt des Ordens.
Revisited. Fourteenth-Century Multilingual Franciscan Manuscripts, in: Ursula Schaefer
(Hg.), The Beginnings of Standardization. Language and Culture in Fourteenth-Century
England (Studies in English Medieval Language and Literature 15), Frankfurt/Main 2006,
S. 91-114.
 
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