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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0199
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Neue Kommunikationsformen im Bettelordenskonvent I 195

tun? Dass der Aufstieg von Bettelorden und Universitäten Hand in Hand ver-
lief, daran bestellt kein Zweifel. Diskutiert werden Fragen der Interaktion. Wa-
ren die Universitäten der Grund für den Erfolg der Bettelorden oder waren die
Bettelorden die Wegbereiter für den Erfolgszug der Universitäten? Konkreter
noch lässt sich diese Frage im Bezug auf die Etablierung des universitären Kol-
legsystems stellen. Waren die Bettelordenskonvente Vorbilder für das univer-
sitäre Kolleg? Oder war die Einrichtung von Kollegien, wie etwas das Kolleg,
das Robert de Sorbon 1257/8 in Paris etablierte, eine Maßnahme, um den Ein-
fluss der Bettelorden an den jungen Universitäten zu dämpfen? Palemon Glo-
rieux lehnte letzeres rundheraus ab. Er fand in den von ihm herausgegebenen
Dokumenten zur Frühgeschichte der Universität Paris keine Hinweise darauf,
dass der Einfluss der Mendikanten dem Aufstieg der Universität im Weg ge-
standen habe.30
Im letzten Teil meiner Ausführungen möchte ich die These vertreten, dass
die Bettelordenskonvente Vorbilder für das Erfolgsmodell „College“ an den
mittelalterlichen Universitäten boten. Genau genommen bot der Konvent das,
was man heute „best practice“ nennt: bewährte, optimale Methoden, Prakti-
ken oder Vorgehensweisen für die Durchführung von Projekten. Und diese
Vorbildfunktion galt insbesondere im Bereich „Kommunikation“. Denn die
Mendikanten implementierten mit ihren offenen Kommunikationsformen und
mit der „Veröffentlichung“ der Lebensform der freiwilligen Armut einen neuen
Schwerpunkt auch im mittelalterlichen Stiftungswesen. Die Idee nämlich, dass
neben der Linderung der Not der Armen und Kranken und neben der Sorge
für das Seelenheit durch die Unterstützung der Gebete der Religiösen, Stiftun-
gen auch für jene getätigt wurden, die aus Liebe zur Wissenschaft die freiwil-
lige Armut und Fremdheit auf sich nahmen. Hospitäler, Kollegiatsstifte und
Bettelordenskonvente waren gleichermaßen Lebensformen der vita communis
in paupertatis. Gottesfurcht, Fremdheit und Armut sind die drei zentralen
Merkmale der frühen Universitäten. Diesen Zusammenhang hat jüngst Tim
Geelhaar in seinem Aufsatz zu den Pariser Universitätskollegien einschlägig
aufgearbeitet.31

30 Palemon Glorieux, Aux origines de la Sorbonne. Bd. 1: Robert de Sorbon: l’homme, le
College, les documents, Paris 1966, S. 31; Andre Tuilier (Hg.), La Vie universitaire parisi-
enne au XHIe siede, Paris 1974, S. 87.
31 Tim Geelhaar, Stiftungszweck Bildung? Die mittelalterlichen Pariser Universitätskollegi-
en im interkulturellen Vergleich mit der islamischen Madrasa, in: Johannes FLÖTER/Christi-
an Ritzi (Hgg.), Bildungsmäzenatentum. Privates Handeln - Bürgersinn - kulturelle Kom-
petenz seit der Frühen Neuzeit. Köln/Weimar/Wien 2007, S. 39-72, hier S. 45.
 
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