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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Editor]; Melville, Gert [Editor]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0201
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Neue Kommunikationsformen im Bettelordenskonvent I 197

Leider lässt sich die hier vermutete Korrelation zwischen dem Aufstieg des
universitären Kollegsystems und den durchlässigen Kommunikationsstruktu-
ren der Bettelordenskonvente nur schwer in den Quellen fassen.
Jedoch lassen sich Zusammenhänge plausibilisieren: In Paris zum Beispiel
war dem Gründer der Sorbonne das Modell des Bettelordenskonvents sehr
vertraut. Als Robert de Sorbon 1257/8 die Stiftung eines Hauses mit Stallun-
gen in der Rue Coupe-Gueule ad opus scholarium organisierte, tat er dies als
Beichtvater des Hauptstifters: König Ludwig IX. Dieser wiederum war be-
kannt als Stifter und Förderer von Hospitälern und zahlreichen religiösen Ge-
meinschaften, insbesondere der neuen Bettelorden. Ein anderer königlicher
Beichtvater - ein Konkurrent von Robert de Sorbon? - war der Dominikaner
Vinzenz von Beauvais.32 In jedem Fall scheint es naheliegend, dass dem König
eine Stiftung zur Unterstützung von freiwillig Armen nicht fremd war, Robert
de Sorbon musste seine Idee der von ihm geplanten Stiftung für arme Schola-
ren nicht aufwendig erklären, waren doch spendenfinanzierte Gemeinschaften
der magistripauperes in Gestalt der Fratres Praedicatores seit ihrer Ankunft im
Jahr 1216 und der Fratres Minores seit 1217 vertrauter Bestandteil der Lebens-
welten in den urbanen Zentren der Gelehrsamkeit.
Noch präziser lässt sich der Zusammenhang zwischen Bettelordenskonvent
und College-Gründung in Oxford fassen. Bei der Gründung von Balliol Col-
lege war nachweislich ein Franziskaner ausschlaggebend: Der namensgebende
Stifter, John Balliol, ein schottischer Adeliger, Vater des gleichnamigen schot-
tischen Königs (1292-4), lag lange Jahre im Streit mit dem Bischof von Dur-
ham. Ihm wurde als Buße die Stiftung eines Hauses für arme Scholaren in
Oxford auferlegt. Er starb im Jahr 1264 noch bevor er die Buße in die Tat
umsetzen konnte. Seine Witwe Devorguilla jedoch setzte alles daran, ihren
Gatten nicht im Fegefeuer leiden zu sehen, und beauftragte 1282 ihren Beicht-
vater, Bruder Richard mit der Einrichtung des Colleges, benannt nach dem
Verstorbenen Stifter: Balliol College.
Sehr wahrscheinlich war Devorguillas Beichtvater Richard ein Franziska-
ner und sehr wahrscheinlich ist er derselbe Franziskaner, der als Verfasser des
ersten Teils der Lanercost Chronik bekannt ist. Denn dessen Kenntnisse über
die Details der Gründung von Balliol College legen diese Vermutung nahe.
Vermutlich war er selbst es, der im Jahr 1282 von der Witwe des John Balliols
beauftragt worden war, im Sinne ihres verstorbenen Mannes eine diesem vom
Bischof von Durham auferlegte Strafe, nämlich die Finanzierung und Etablie-
rung eines Hauses für arme Scholaren in Oxford, voranzutreiben. Bruder

32 Geelhaar, Stiftungszweck Bildung? (wie Anm. 31), S. 50f.
 
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