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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0217
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Die deutschsprachige Predigt der Hirsauer Reform I 213

ten verorten. Diesem Überlieferungskomplex gehören die weitaus meisten der
fast 900 Einzelpredigten der Frühen deutschen Predigt an46; zwischen den zahl-
reichen Textzeugen bestehen vielfältige und komplizierte Überlieferungsge-
meinschaften, die von einem regen Austausch der Sammlungen innerhalb eines
gut organisierten Netzwerks zeugen.47
Neben dem Überlieferungskomplex der ,Leipziger Predigten existiert ein
weiterer, kleinerer. Hierbei handelt es sich um Predigtsammlungen, die in ir-
gendeiner Weise Parallelüberlieferungen zum oben erwähnten Predigtbuch
,Priester Konrads' aufweisen. Auch hier scheint bei der Überlieferung ein
Netzwerk genutzt worden zu sein. Anders lassen sich die komplizierten Zu-
sammenhänge zwischen den einzelnen Kompilationen kaum erklären. Die bei-
den Überlieferungskomplexe ,Leipziger Predigtet und ,Priester Konrad' stehen
weitgehend getrennt nebeneinander, ohne dass die regionale Schriftsprache hier-
bei eine Rolle spielen würde. Es gibt einen einzigen Textzeugen, der beide Über-
lieferungskomplexe miteinander verknüpft.
Zurück zu den miteinander auf doppelte Weise verbundenen Sammlungen
der,Millstätter Predigtet und des ,Speculum ecclesiae deutsch'. An den Schluss-
formeln dieser beiden Sammlungen lässt sich eine interessante Beobachtung ma-
chen: Bei fast allen Predigten findet sich hier als Schlussformel der u. a. die Do-
xologie der Orationes abschließende Passus per omma saecula saeculorum, der
in den Hirsauer Constitutiones als Schluss der Novizenbelehrung zum Tages-
evangelium explizit vorgeschrieben wird und von den Novizen mit Amen zu
beantworten ist.48 Man mag die Aussagekraft dieser Beobachtung in Frage stel-
len mit der Vermutung, dass diese Doxologie der übliche Predigtschluss gewesen
sein dürfte.49 Doch sowohl gleichzeitige als auch spätere Predigtsammlungen
46 Zum Vergleich: Taylor, French Sermons (wie Anm. 18), S. 715, spricht von weniger als 1000
französischen Predigten in der Zeit von 950 bis 1300. Im deutschsprachigen Raum steigt die
Anzahl der überlieferten Predigten dagegen im 13. Jahrhundert insbesondere durch die Bet-
telordenspredigt rapide an, wir sprechen von einer ,Überlieferungsexplosion'; vgl. die statis-
tischen Darstellungen hierzu bei Jürgen WoLF/Christa Bertelsmeier-Kierst, Man schreibt
Deutsch. Volkssprachliche Schriftlichkeit im 13. Jahrhundert. Erträge des ,Marburger Re-
pertoriums deutschsprachiger Handschriften des 13. Jahrhunderts', in: Jahrbuch der Oswald
von Wolkenstein Gesellschaft 12, 2000, S. 21-34, hier S. 30; dieselbe Grafik findet sich auch
wieder bei: Jürgen Wolf, Buch und Text. Literatur- und kulturhistorische Untersuchungen
zur volkssprachigen Schriftlichkeit im 12. und 13. Jahrhundert (Hermaea NF 115), Tübingen
2008, S. 154.
47 Vgl. hierzu die grafische Darstellung der Überlieferungskomplexe in meinem Handbuch zur
deutschen Predigt: Schiewer, Die deutsche Predigt um 1200 (wie Anm. 22), S. 52.
48 Constitutiones Hirsaugienses (wie Anm. 13), Bd. 1, S. 182.
49 Der Brauch, eine Predigt mit einer Doxologie zu schließen, geht wohl auf Origenes zurück:
Gerhard Krause, ,Amen‘, in: Theologische Realenzyklopädie (wie Anm. 8), Bd. 2 (1978),
S. 386-402, hier S. 395.
 
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