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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0232
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228 I Julia Burkhardt

sagte Barbier auf dem Handtuch, das um den Hals des Königs lag:,Versuche nichts
planlos, wenn du nicht zuvor bedacht hast, was folgt/ Und erschreckt über seinen
Vorsatz des schrecklichen Verbrechens, erblasste der Barbier und zog seine zit-
ternde Hand zurück.“21
In ähnlicher Form findet sich diese Geschichte auch im Tractatus des Stephan
von Bourbon oder in den (später zusammengestellten) Gesta Romanorum.22 Die
Frage nach Autorschaft oder Originalität scheint dabei jedoch weniger entschei-
dend als die der Einbettung in das jeweilige Gesamtwerk. Im Bonum universale
de apibus findet sich der übergeordnete Abschnitt in einer Reihe von Kapiteln,
in denen die Charakteristika frommer Bienen (die natürlich stellvertretend für
die frommen Gläubigen stehen) wie etwa ein gemeinschaftlicher Zusammen-
halt, gemeinsame Beratungen und Konsensfindung, Friedensorientierung und
eben vorausschauende Maßhaltung ausgelotet werden. Kapitel BUA 11,43, das
sich dem letztgenannten Aspekt widmet, enthält verschiedene Exempel, die die
einleitende Forderung nach Achtsamkeit in allen Zeiten verdeutlichen. Erzähl-
technisch beachtenswert ist dabei, dass unterschiedliche Personengruppen, also
neben dem imaginären König auch namentlich genannte Mitglieder des Domi-
nikanerordens oder Adelige aus dem Brabanter Raum, mit einer unterschiedli-
chen Nähe des Autors zum Erzählten, also Selbsterfahrungen ebenso wie Hö-
rensagen, kombiniert werden. Mit dieser Variation wird nicht nur das aufgezeigte
Verhaltensmuster untermauert, sondern auch die Identifizierbarkeit des Rezipi-
enten mit dem Gehörten entscheidend erhöht. Eine grundlegende Ausdeutung
erfolgt jedoch nur im Anschluss an das zitierte Weisheitsexempel: Mit einem
Zitat aus der Apostelgeschichte (Act 1,7: „Es steht euch nicht zu, Zeiten oder
Momente zu kennen, die der Vater in seiner Macht aufgestellt hat“) führt Thomas
die unterschiedlichen Wahrnehmungsfähigkeiten auf eine Zuweisung Gottes
zurück, die es erst erlaube, „die Fälle der Zukunft über vergangene und gegen-
wärtige Dinge zu Tage zu fördern“.23
Die hier offenbarte Auseinandersetzung mit bzw. Beherrschung von Normen
in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die das exemplarische Erzählen leis-
21 Pro quo nobiles sui in seditionem versi, cum nequaquam in manifesto propter favorem populi
contra eum auderent ahquid attemptare, occulte rasorem quemdam precio conduxerunt, ut
regem in conclavi radendum novacula iugularet. Ergo ubi rex Iota et adlentata barba se ra-
dendum exhibuit, dictus rasor in manutergio, quod erat circa collum regis, scriptum legit: Nil
temere attemptes nisiprius cogites, quid sequatur. Et sicproposito horrendi scelerispavefactus
expalluit et manum tremulam mox retraxit. Thom. Cantimpr. BUA 11,43,2 (wie Anm. "')•
22 Stephani de Borbone Tractatus I (wie Anm. 1), lib. 11,1,1. 660-685, S. 28-29; Gesta Romano-
rum, ed. von Hermann Oesterley, Berlin 1872, Cap.103 (Nr. 95), S. 431-434.
23 Thom. Cantimpr. BUA 11,43,1 (wie Anm. *): ... ut homines sagaces igenio de preterritis vel
presentibus futurorum causas ehciunt.
 
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