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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0245
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Außerhalb oder innerhalb? I 241

sie verschiedene Formen an: die Oblation von Kindern, die Einkleidung von
Mädchen, die dem Heiratsmarkt entzogen wurden, die „Selbstgabe“, die um
1180 eine spezifische Rechtsform annimmt9, oder, und zunehmend am Ende des
Mittelalters, echte Gelübde von Erwachsenen, Laien und manchmal sogar Welt-
klerikern, die sich einzeln für den Eintritt in den Zisterzienserorden oder den
Beitritt zu einem Bettelorden entschieden haben: Im letzten Fall ist die monas-
tische oder reguläre Berufung einer Bekehrung ähnlich.10
Nicht minder wichtig sind die Macht- und Herrschaftsverhältnisse: Insbe-
sondere vor der Gregorianischen Reform wurden Klöster von aristokrati-
schen Familien {Eigenkirche), Bischöfen oder der königlichen bzw. kaiserli-
chen Macht {Reichskirche) dominiert oder gar übernommen. Seit der
Gregorianischen Reform und der mit ihr einhergehenden Stärkung der päpst-
lichen Monarchie unterlagen monastische und regulierte Einrichtungen eng
der Autorität des Papstes (die Gründung der Abtei Cluny, die direkt dem
Papst unterstellt war, ist in dieser Hinsicht beispielhaft), insbesondere hin-
sichtlich der Genehmigung einer neuen Regel (dies galt umso mehr für die
Minderbrüder, als das II. Konzil von Lyon im Jahr 1274 beschloss, die Zahl
der Bettelorden auf vier zu begrenzen).
Klöster waren auch materiell nicht isoliert. Selbst wenn sie die Einsamkeit
suchten, wie es der Zisterzienserorden vor allem zu Beginn tat, knüpften die
Mönche wegen ihrer Macht als Grundbesitzer, des Besitzes von Dörfern {domi-
nium), der Erhebung von Grundrenten {census), der Integration in den Markt
und den Währungshandel (im Falle der Zisterzienser selbst und noch mehr ab
dem 13. Jahrhundert für die Bettelorden) vielfältige Verbindungen zur säkularen
Gesellschaft. Es ist sogar das wachsende Engagement in der Welt, das die lang-
fristige Entwicklung der religiösen Orden kennzeichnet, freilich um den Preis
einer Anpassung und Transformation ihrer regula. Diese historische Dynamik
muss abschließend berücksichtigt werden.

Die historische Dynamik des Regularklerus
Das Christentum hat von Anfang an nicht nur die individuelle Suche nach Erlö-
sung in der Kontemplation und der einsamen Askese vorgeschlagen, sondern
auch die Transformation der gesamten Gesellschaft, ihre Bekehrung zur von
9 Charles de Miramon, Les „donnes“ au Moyen Äge. Une forme de vie religieuse laique, v.
1180-v. 1150, Paris 1999, S. 97f.
10 Alain Boureau, „Ordres religieux“, in: Regine ÄZRiA/Damele Hervieu-Leger, Diction-
naire des faits religieux, Paris 2010, S. 834-838 (S. 838).
 
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