Albert der Große zwischen Natur, Macht und Wirkung I 249
kanermönch, an die er in seinem Werk anknüpft oder die aus dem Werk eruiert
werden können, Revue passieren. Hierbei soll die Bedeutung des Dominikaners
als „Neuerer“8 im und für den eigenen Orden im Vordergrund stehen. In einem
zweiten Schritt soll versucht werden, die sichtbar gewordenen Konturen von Al-
berts Persönlichkeit im Spannungsfeld ihrer Entfaltung und Verwirklichung sowie
in ihrer Bedeutung über den Orden hinaus zu verdeutlichen und zu würdigen.
II
In seinem paränetischen Erstlingswerk De natura boni aus den 1230er Jahren
zeigt sich Albert vom Lebensideal seines Ordens überzeugt und begeistert. Sich
der moralisierenden Allegorese bedienend deutet er die beiden jüngeren Bettel-
orden der Prediger und der Minoriten gleichsam als geschützte Orte des gottge-
weihten Lebens, die er im Anschluss an die Worte der Bibel als die „Wüste der
Buße und der Gottesverehrung“ (1 Kön 25.14) bezeichnet. Die Prediger und die
Minderbrüder sorgten sich um das Seelenheil der Menschen und geleiteten sie
durch Verkündigung, Vorbild und Rat. Sie wären gute Hirten, die ihrer seel-
sorglichen Arbeit bereitwillig und ohne Lohnforderung nachgingen und sich in
dieser Hinsicht von dem Teil des Weltklerus unterschieden, der seinen diesseiti-
gen Eigennutz über das eigene und des Volkes Seelenheil stellte und seinem pas-
toralen Auftrag nicht gerecht würde. Albert wirft den Weltgeistlichen Glau-
bensschwäche, Verweltlichung, Habgier, Untätigkeit und Dummheit vor.9 Die
hier geübte Kritik an denpraelati erneuert er in seinen späteren Schriften, insbe-
sondere in den Bibelkommentaren. Er übersieht aber auch nicht die Missstände
in den eigenen Reihen und stellt sie ebenso an den Pranger.10
8 Vgl. Gallus M. Manser, Albert der Große als Neuerer auf philosophischem Gebiete, in:
Divus Thomas 10, 1932, S. 19-40.
9 Albertus Magnus, De natura boni, ed. Ephrem Filthaut, in: Sancti doctoris Ecclesiae Al-
berti Magni [...] Opera omnia [...] (Editio Coloniensis XXV/1), Münster 1974, S. 16.83-18.27.
10 Vgl. Albertus Magnus, In Evangelium Lucae, XXI, 25, ed. Auguste Borgnet, in: B. Alberti
Magni, Ratisbonensis episcopi, ordinis Praedicatorum, Opera omnia [...] (Editio Parisiensis
XXIII), Paris 1895, S. 644b-645a; Alfred Wendehorst, Albertus Magnus und die Kirchen-
reform, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 64, 1956,
S. 244-259; Henryk Anzulewicz, Oportet nos quaerere viam competentem fidei. Alberta
Wielkiego teoria i praktyka w przezwyci^zaniu kryzysow [Alberts des Großen Theorie und
Praxis der Krisenbewältigung], in: Tomasz Gaeuszka u. a. (Hgg.), Ecclesia semper refor-
manda. Kryzysy i reformy sredniowiecznego Kosciola [Krisen und Reformen der mittel-
alterlichen Kirche], Krakow 2013, S. 125; Thomas Marschler, Praelati et praedicatores.
Albertus Magnus über das kirchliche Leitungs- und Verkündigungsamt (Lectio Albertina
16), Münster 2015, S. 40-42, 66 u. ö.
kanermönch, an die er in seinem Werk anknüpft oder die aus dem Werk eruiert
werden können, Revue passieren. Hierbei soll die Bedeutung des Dominikaners
als „Neuerer“8 im und für den eigenen Orden im Vordergrund stehen. In einem
zweiten Schritt soll versucht werden, die sichtbar gewordenen Konturen von Al-
berts Persönlichkeit im Spannungsfeld ihrer Entfaltung und Verwirklichung sowie
in ihrer Bedeutung über den Orden hinaus zu verdeutlichen und zu würdigen.
II
In seinem paränetischen Erstlingswerk De natura boni aus den 1230er Jahren
zeigt sich Albert vom Lebensideal seines Ordens überzeugt und begeistert. Sich
der moralisierenden Allegorese bedienend deutet er die beiden jüngeren Bettel-
orden der Prediger und der Minoriten gleichsam als geschützte Orte des gottge-
weihten Lebens, die er im Anschluss an die Worte der Bibel als die „Wüste der
Buße und der Gottesverehrung“ (1 Kön 25.14) bezeichnet. Die Prediger und die
Minderbrüder sorgten sich um das Seelenheil der Menschen und geleiteten sie
durch Verkündigung, Vorbild und Rat. Sie wären gute Hirten, die ihrer seel-
sorglichen Arbeit bereitwillig und ohne Lohnforderung nachgingen und sich in
dieser Hinsicht von dem Teil des Weltklerus unterschieden, der seinen diesseiti-
gen Eigennutz über das eigene und des Volkes Seelenheil stellte und seinem pas-
toralen Auftrag nicht gerecht würde. Albert wirft den Weltgeistlichen Glau-
bensschwäche, Verweltlichung, Habgier, Untätigkeit und Dummheit vor.9 Die
hier geübte Kritik an denpraelati erneuert er in seinen späteren Schriften, insbe-
sondere in den Bibelkommentaren. Er übersieht aber auch nicht die Missstände
in den eigenen Reihen und stellt sie ebenso an den Pranger.10
8 Vgl. Gallus M. Manser, Albert der Große als Neuerer auf philosophischem Gebiete, in:
Divus Thomas 10, 1932, S. 19-40.
9 Albertus Magnus, De natura boni, ed. Ephrem Filthaut, in: Sancti doctoris Ecclesiae Al-
berti Magni [...] Opera omnia [...] (Editio Coloniensis XXV/1), Münster 1974, S. 16.83-18.27.
10 Vgl. Albertus Magnus, In Evangelium Lucae, XXI, 25, ed. Auguste Borgnet, in: B. Alberti
Magni, Ratisbonensis episcopi, ordinis Praedicatorum, Opera omnia [...] (Editio Parisiensis
XXIII), Paris 1895, S. 644b-645a; Alfred Wendehorst, Albertus Magnus und die Kirchen-
reform, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 64, 1956,
S. 244-259; Henryk Anzulewicz, Oportet nos quaerere viam competentem fidei. Alberta
Wielkiego teoria i praktyka w przezwyci^zaniu kryzysow [Alberts des Großen Theorie und
Praxis der Krisenbewältigung], in: Tomasz Gaeuszka u. a. (Hgg.), Ecclesia semper refor-
manda. Kryzysy i reformy sredniowiecznego Kosciola [Krisen und Reformen der mittel-
alterlichen Kirche], Krakow 2013, S. 125; Thomas Marschler, Praelati et praedicatores.
Albertus Magnus über das kirchliche Leitungs- und Verkündigungsamt (Lectio Albertina
16), Münster 2015, S. 40-42, 66 u. ö.