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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0255
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Albert der Große zwischen Natur, Macht und Wirkung I 251

Einschränkung blieb bis zur Reform der Ausbildungsordnung in Kraft, an der
Albert mit seinem Schüler Thomas von Aquin und drei weiteren Pariser Magis-
tri der Theologie aus dem Dominikanerorden - Bonhomme Brito, Florent von
Hesdin und Petrus von Tarentaise - auf dem Generalkapitel in Valenciennes
1259 in einer vom Generalmagister Humbert von Romans berufenen Kommis-
sion mitwirkte.13
Im Hinblick auf diese Situation ist es verständlich, dass Albert sich am Schluss
seiner vor 1259 verfassten Tierkunde De animalibus vor möglichen Vorwürfen
energisch verwahrt, er habe in seinen naturkundlichen Werken eigene Interessen
verfolgt und seine persönlichen Ansichten vertreten. Es scheint, dass seine phi-
losophischen Schriften nicht nur aufgrund von bestimmten Inhalten, sondern
grundsätzlich als problematisch betrachtet wurden oder so zumindest gesehen
werden konnten, weshalb er sich mehrfach zur Rechtfertigung veranlasst sah. Er
tat dies in einer Weise, die einer persönlichen Distanzierung vom Lehrgehalt
seiner naturphilosophischen Werke gleichkommt. Amos Bertolacci bezeich-
nete die in anderen Werken Alberts wiederkehrenden Erklärungen von solcher
Art treffend als ,the professions of impersonality, or disclaimers of personal
commitmenü und machte plausibel, dass Albert sich in dieser Hinsicht von
Avicenna inspirieren ließ.14 Ähnlich wie Avicenna im Prolog zu Kitäh al Sifäc
(lat. Sufficientia) zwischen einer Erklärung philosophischer Meinungen in
Masriqiyyün und einer konzilianten Darstellung der Ansichten der Peripateti-
ker in Kitäb al Sifä‘ unterscheidet, so unterscheidet auch Albert zwischen den
Lehrmeinungen der Philosophen, die er in seinen Kommentaren erklärt, und
seinen persönlichen philosophischen Ansichten, die er nach eigenen Angaben
am ehesten in den theologischen Schriften darlegte. Am Schluss von De anima-
libus unterstreicht er nämlich, dass er sich in seinen Schriften auf die Auslegung

13 Chartularium Universitatis Parisiensis, hg. von Heinrich DENiFLE/Emile Chatelain, 4
Bde., Paris 1889-1897, Bd. 1, S. 385f. Nr. 335; vgl. Acta, Capitulorum Generalium (vol. I), in:
Monumenta Ordinis Fratrum Praedicatorum Historica, hg. von Benedictus M. Reichert,
Rom/Stuttgart 1898, Bd. 3, S. 94, 99f.; Daniel A. Mortier, Histoire des maitres generaux de
l’Ordre des freres Precheurs, Bd. 1: 1170-1263, Paris 1903, S. 563-565; Heribert Ch. Schee-
ben, Albert der Große. Zur Chronologie seines Lebens (Quellen und Forschungen zur Ge-
schichte des Dominikanerordens in Deutschland 27), Vechta/Leipzig 1931, S. 48; Dieter
Berg, Armut und Wissenschaft. Beiträge zur Geschichte des Studienwesens der Bettelorden
im 13. Jahrhundert (Geschichte und Gesellschaft. Bochumer Historische Studien 15), Düs-
seldorf 1977, S. 62-64; James A. Weisheipl, Thomas von Aquin. Sein Leben und seine Theo-
logie, Graz/Wien/Köln 1980, S. 133; hierzu auch weiter unten mit Anm. 27.
14 Hierzu und zum Folgenden Amos Bertolacci, La divisione della filosofia nel primo capito-
lo del Commento di Alberto Magno alla Fisica: le fonti avicenniane, in: Giulio d’Onofrio
(Hg.), La Divisione della Filosofia e le sue Ragioni, Cava de’ Tirreni 2001, S. 148-150.
 
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