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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0065
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II. Das Werk

Gilberts „Bienenmodell“ lässt sich also auf folgende Formel bringen: Disziplin durch
Respekt, Abschreckung und konsequente Bestrafung der Schuldigen. An diesem
Beispiel sollen sich auch die Könige der Menschen orientieren und unbeirrt diejeni-
gen verfolgen, welche sich an Christus versündigten. Was nach optimistischer Herr-
schaftsvision klingt, wird gleich darauf relativiert: Gilbert selbst hält diese Option
nämlich für wenig realistisch, da die gegenwärtigen Könige sich beständig mit Räu-
bereien, Gewinnen und gebrochenen Eiden bereicherten.104
Eine weitaus positivere Sichtweise entwickelt Gilbert schließlich im dritten Brief,
welcher das Verhalten des Königs gegenüber seinen Untertanen behandelt. Grund-
sätzlich lasse sich die Pflicht der Zuneigung und der Liebe des Herrschers zu seinem
Volk aus der Natur ableiten: „Denn wenn es gestattet ist, den Charakter von den
Tieren her zu borgen, dann kann die Zuneigung der Könige und Fürsten lehrhaft
dargestellt werden am Beispiel der Reptilien, der fliegenden Tiere und der schwim-
menden Tiere.“105 Erneut geht Gilbert auf das Beispiel der Bienen ein, da diese ohne
jeden Zweifel einen König akzeptierten und unter dessen Führung ihrem Werk nach-
gingen. Diesen Bienenkönig sieht Gilbert als kontrollierende, antreibende, strafende
und zugleich barmherzige Instanz inmitten der Bienengemeinschaft. Zu dieser pro-
minenten Stellung passt seine äußere Erscheinung, denn der König ist nicht nur von
„anderer“, sondern auch „schönerer“ Gestalt als die Bienen, er hat eine „andere Grö-
ße, lieblichere Sitten und er wird vor allen anderen gleichsam noch ehrenvoller ge-
würdigt“. Der wesentliche Unterschied des Königs zu seinem Volk besteht in dessen
Stachellosigkeit als Ausweis seiner besonderen Milde: „Gott, der Herr, will nicht,
dass der König nutzlos grausam ist, und deshalb lässt er bei den Königen der Bienen
den Zorn unbewaffnet. Die Liebe der Untertanen ist nämlich ein unerschütterliches
Schutzwerk.“106 Erkennbar ist Gilbert hier von Seneca geprägt, denn auch sein Bie-
nenkönig soll vorrangig dem Prinzip der Milde verpflichtet sein. Diese strikte Über-
nahme von Gedanken aus Senecas De clementia erklärt auch kleine Widersprüche
zwischen Gilberts Brief 2 und Brief 3.107 Ganz im Stile der Fürstenspiegel des
13. Jahrhunderts wird diese Orientierung aber nicht als Schwäche, sondern als Stärke
104 Guib. Torn. erudit. 11,2,7, S. 76 sowie Fürstenspiegel, hg. Anton, S. 423.
105 Guib. Torn. erudit. 111,1,1, S. 83: Et si mores licet ab animalibus mutuari, tarn exemplo reptilium
quam volatilium, quam natatilium, affectusprincipum poterit informari. Übersetzung zitiert nach
Fürstenspiegel, hg. Anton, S. 431.
106 Guib. Torn. erudit. 111,1,1, S. 83T: Unicus principatur, et dissimilis caeteris formaque pulchrior,
dispar magnitudine, suavior moribus, sicut honorabilior prae caeteris honoratur. In hoc enim
manifesta est regis distinctio cpiod cum apes iracundissimae et pro corporis captu sint pugnacissi-
mae, et aculeos relinquant in vulnere, rex tarnen est sine aculeo. Non vult Dominus regem inutiliter
esse crudelem, qui iram in regibus apum reliquit inhermem. Amor enim civium est inexpugnabile
munimentum. Quod utique fiel si principes naturam verterint in paternaepietatis affectum.
107 So wird beispielsweise im zweiten Brief konstatiert, dass der König seinen Stachel nicht benutzt,
im dritten Brief dagegen heißt es, er habe keinen Stachel. S. zur Übernahme von Senecas Vorstel-
lungen Molnar, RespvblicaApum, S. 113.
 
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