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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0072
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II.3. Die ideale Gemeinschaft

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beispielsweise das Wilhelm von Conches zugeschriebene Moralium dogma philoso-
phorumM’ Der Nachweis einer entsprechenden Vorlage steht freilich noch aus.
Für die Nutzung eines moralphilosophischen Sammelwerkes durch Thomas von
Cantimpre spricht auch ein weiteres Argument: Verschiedene Zitate, die Thomas ent-
weder dezidiert Seneca zuschrieb oder in seine „Collagen“ aus Seneca-Zitaten auf-
nahm, lassen sich mit heutigem Wissen apokryphen Werken zuweisen, die stilistisch
oder inhaltlich dem Werk Senecas vergleichbar sind und wohl auch deshalb im Mit-
telalter als Schriften Senecas (Pseudo-Seneca) galten.136 137 Dazu gehören die Sentenzen
des Publilius Syrus,138 das Werk de mtgis des Caecilius Baibus139 oder die Formula
honestae vitae des Martin von Braga.140 Auch in Bezug auf diese Vorlagen ist zu
vermuten, dass Thomas von Cantimpre eine Kompilation verwendete, nicht aber die
einzelnen Werke mit klar zu identifizierenden Autoren. So führte er beispielsweise in
BUA 1,1,1 nach dem Hinweis Sed ut Seneca dicit ein Zitat an, das den Sprüchen des
Publilius Syrus zuzuordnen ist.141 In ähnlicher Weise findet sich in BUA 1,17,2 ein
expliziter Verweis auf Seneca, die anschließenden Zitate jedoch lassen sich dem
Werk Martins von Braga bzw. des Publilius Syrus zuordnen.142
Es ist also anzunehmen, dass Thomas von Cantimpre eine Sammlung mit moral-
philosophischen Sentenzen vorlag, die der Autorschaft Senecas zugeschrieben gewe-
sen sein mag. Eine konzise Unterscheidung zwischen den einzelnen zitierten Auto-
ren, wie sie mit heutigem Wissen vorgenommen werden kann, findet sich dagegen im
„Bienenbuch“ nicht. Zur leichteren Orientierung benennt der Zitationsapparat zur
Edition deshalb die Werke, die sich heute als Ursprung der Zitate identifizieren las-
sen, auch wenn dadurch vielleicht kein eindeutiger Eindruck von der Arbeitsweise
des Thomas von Cantimpre vermittelt wird.

136 S. zum Moralium dogma Williams, Authorship. S. außerdem Meersseman, Seneca maestro di
spiritualitä, S. 92-100 sowie Taylor, Medieval Proverb CoIIections. Eine vergleichbare Fragestel-
lung, jedoch im Hinblick auf die Rezeption der antiken Autoren Vergil, Horaz, Ovid, Juvenal und
Persius bei Vincent von Beauvais (Speculum historiale), untersuchte Schuler, Kompilation und
Rezeption.
137 S. hierzu Meersseman, Seneca maestro di spiritualitä sowie Taylor, Medieval Proverb CoIIec-
tions, S. 26-28.
138 S. hierzu neuerdings die Beiträge in: La traversee europeenne, hg. Lopez Izquierdo.
139 S. dazu Diouron, Le Pseudo-Caecilius sowie Meersseman, Seneca maestro di spiritualitä, S. 58-
68.
140 Zum Zusammenhang der Formula mit philosophischen Florilegien s. Jimenez San Cristobal, La
Formula.
141 Thom. Cantimpr. BUA 1,1,1: Sed ut Seneca dicit'. plerique famam, conscientiam pauci verentur.
S. vergleichbar auch ebd. BUA 11,23,2, wo auf den Hinweis Sed Seneca dicit in proverbiis ein Zitat
aus den Sprüchen des Publilius Syrus folgt.
142 Thom. Cantimpr. BUA 1,17,2: Moderate tarnen corrigi vitia Seneca docet dicens'. Esto vitiorum
fugax primitus ipse tuorum. Aliorum vero neque curiosus scrutator neque acerbus reprehensor. Ex
vitio alterius sapiens corrigit suum.
 
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