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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0074
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II.3. Die ideale Gemeinschaft

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Wissens über Lebewesen, Konfigurationen und Phänomene der Natur sollte dem Le-
ser eine Gesamtschau der Schöpfung vermittelt werden - das Zeugnis der Natur und
dieproprietates der Tiere waren deshalb bei der Verbreitung und Festigung des Glau-
bens durch Predigten als lebenspraktisches Vorbild heranzuziehen.148 Sowohl den
Liber de natura rerum als auch das Bonum universale de apibus zeichnet damit ein
expliziter Nutzungsanspruch aus: Beide Werke sollten für die Zeitgenossen des Tho-
mas wie auch für künftige Generationen seines Ordens Nachschlagewerke und iden-
titätsstiftende Inspirationsquellen zugleich sein.
Für das „Bienenbuch“ unterzog Thomas von Cantimpre seine Naturenzyklopädie
und konkret das darin den Bienen gewidmete Kapitel IX,2 deshalb einer Neubetrach-
tung.149 Anhand der Bienengemeinschaft ließe sich, so seine Argumentation, „jeder
menschliche Stand, vor allem in Bezug auf Vorsteher und Untergebene, und dazu in
besonderem Maße die Lebensweise der klösterlich Lebenden“ erläutern.150 Ausge-
hend von dieser Idee entwickelte Thomas die zweigliedrige Struktur seines Werkes.
Thematisch im Mittelpunkt steht das rechte Verhältnis von Vorgesetzten {prelati}
und Untergebenen (subditi) in sozialen Gemeinschaften, weshalb auch das gesamte
Werk in zwei Bücher - über die Vorsteher oder Bienenkönige und die Untergebenen
oder das Bienenvolk - untergliedert ist.151
Die strukturelle Leistung der Bienenallegorie für das gesamte Werk bleibt dabei
vom Autor unkommentiert: Im „Bienenbuch“ fungieren der Blick auf Bienen und ihr
gemeinschaftliches Zusammenleben nämlich als narratives „Leitmotiv“, und ent-
sprechend sind die Kapitel im „Bienenbuch“ beinahe durchgängig recht systema-
tisch gestaltet. Jedes der insgesamt 82 Kapitel wird mit einer thesenhaften Aussage
zur Organisation, zu Eigenschaften oder Verhaltensweisen von Bienen eröffnet;
mehrheitlich sind diese Thesen dem „Bienenkapitel“ von Thomas’ Naturenzyklopä-
die entnommen (s. dazu ausführlich Abschnitt II.3.2.).152 Ausdrücklich verdeutlichte
148 Thom. Cantimpr. Ldnr prolog, S. 5: Hiis ergo scriptis si quis Studium adhibuerit, ad argumenta
fidei et correctiones worum integumentis mediis sufficientiam reperiet, ul interdum predicatore
quasi e vestigio scripturarum apte digress cessantibus eloquiis prophetarum ad evigilationem
brutarum mentium oculata fide creaturarum adducat festes, ul si quem sepius audita de scripturis
et inculcate non movent, saltem nova in ore suo pigritantium aures demulceant. Zum pastoralen
Kontext s. Schürer, Die Beredsamkeit, Menzel, „Historiarum armarium“ sowie Voorbij, Purpose
and Audience.
149 Thom. Cantimpr. BUA prolog.: Revolvi autem librum illum ‘de natura rerum’, quem ipse multo
labore per annos quatuordecim de diversis auctoribus utilissime compilavi, in quo capitulum de
apibus secundum philosophos Aristotilem, Solinum, Plinium, magnum Basilium, Ambrosium Epi-
scopum et lacobum Aconensem cum magna consideratione perspexi.
150 Thom. Cantimpr. BUA prolog.: cuius serie omnis Status hominum maxime in prelatis et subditis
necnon specialissime modus vivendi claustralium poterat comprehendi.
151 Thom. Cantimpr. BUA prolog.: primum librum de prelatis, secundum de subditis sub diversis et
intitulatis capitulis consummavi.
152 S. hierzu ausführlich Sweetman, Dominican Preaching, S. 169-171, der für die Bienen-Thesen den
Begriff der „Bienen-Lemmata“ geprägt hat.
 
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