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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Editor]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0105
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104

II. Das Werk

Informanten und Protagonisten in erster Linie aufgrund ihrer charakterlichen Eig-
nung (oder eben deren Ermangelung) Beachtung. Indem Personen aus beinahe allen
gesellschaftlichen Gruppen berücksichtigt werden, werden dem Leser / Zuhörer trotz
des klaren hierarchischen Gemeinschaftsbildes Glauben und Religion als eine Option
für Jede/n vor Augen geführt. Ähnlich wie im Bereich der moralischen Unterweisung
arbeitete Thomas von Cantimpre jedoch auch im Hinblick auf die gesellschaftlichen
Zusammenhänge mit Vor- und Gegenbildern. Ensprechend erscheinen deviante Le-
bensformen und marginalisierte Gesellschaftsgruppen wie Juden und „Häretiker“
oder aber charakterlich schwache Menschen, die von Dämonen gesteuert werden, als
beständige Herausforderung und Rivalität des alltäglichen Lebens und somit gleich-
sam als Antipoden der im „Bienenbuch“ beschriebenen Gemeinschaft.270
Ein wesentlicher Aspekt, den die Untersuchung des beschriebenen Personenkreises
offengelegt hat, prägt schließlich auch den im „Bienenbuch“ aufscheinenden geogra-
phischen Erzählradius: Im Mittelpunkt des Werkes steht jene Region, in der Thomas
von Cantimpre selbst lebte und wirkte. Sie reicht von Paris bzw. Straßburg271 im Süden
über Cambrai, Flandern und Brabant bis nach Deutschland in die Gebiete zwischen
Rhein und Mosel (s. hierzu die Karte in Anhang 09). Diese Regionen wurden von Tho-
mas von Cantimpre bereist, und aus ihnen brachte er reiches Erzählgut mit. Trotz der
Behandlung von Episoden und Ereignissen auch aus anderen europäischen Reichen
zeichnet doch vornehmlich eine regionale Fokussierung sein Werk aus.
Untersucht man die im Bonum universale de apibus genannten Orte und Regionen
näher, ergibt sich im Hinblick auf die sprachliche Gestaltung und die Frequenz geo-
graphischer Verortungen ein eindeutiger Befund. Wesentlich häufiger als beispiels-
weise auf Frankreich, Regionen wie die Champagne oder aber Flandern bezog sich
Thomas von Cantimpre auf Brabant {Brabantia}. Obgleich sich an einzelnen Stellen
Verweise auf Diözesangrenzen oder lokale Potentaten finden, scheinen diese für die
regionale Identität nicht ausschlaggebend gewesen zu sein. Stattdessen firmiert Bra-
bantia in ihrer Gänze als zentraler Bezugspunkt.272 Zu den üblichen geographischen
Bestimmungen im „Bienenbuch“ gehören Wendungen wie in Brabantie partibus, die
als vage Ortsangabe fungieren; gleichzeitig suggeriert diese offene Angabe, dass
Thomas von Cantimpre sich nicht nur in einem, sondern in weiten Teilen Brabants
bewegte.273 Bei vielen Städten oder Klöstern wird zudem auf ihre Lage in Brabant
verwiesen, so etwa bei den mehrfach genannten Affligem, Brüssel, Gent, Löwen,
Antwerpen, Mechelen, Florival, Valduc, Villers, Nivelles, Oignies und Lüttich oder
270 S. dazu (jedoch mit Blick auf das Werk Jakobs von Vitry) Berlioz/Polo de Beaulieu, Preacher,
S. 26-28.
271 S. hierzu Thom. Cantimpr. BUA 1,25,6, wo Thomas berichtet, er selbst habe die Reliquien des ver-
storbenen Volvandus, des Priors der Straßburger Dominikaner, im dortigen Konvent der Prediger-
brüder besichtigt (Erat autem crux, ut ipse ad hoc videndum quadraginte miliaribus laboravi ...).
272 S. zur zeitgenössischen Historiographie mit Brabant-Bezug Appelmans, The Abbey of Affligem.
273 Eine Ausnahme bildet Thom. Cantimpr. BUA 11,1,23, wo von der terra Brabantie die Rede ist.
 
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