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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0159
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III. Die Rezeptionsgeschichte

Sein Predigthandbuch, das er um 1437/1438 vollendete, betitelte Johannes Nider
mit Formicarius, also „Ameisenhaufen“.194 Ähnlich wie das „Bienenbuch“ stellt auch
der „Ameisenhaufen“ in erster Linie Predigtmaterial in Form eines Handbuchs zu-
sammen. Unter Bezug auf den biblischen Vers „Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh
ihre Wege an und werde weise!“195 wählte Nider als thematische Rahmung das Bei-
spiel der Ameisen, mittels derer er die zusammengestellten Exempel „moralisieren“
wollte - ein Begriff, der bereits stark an das „Bienenbuch“ erinnert. Tatsächlich be-
zog sich Nider in seinem Vorwort auch ausdrücklich auf das Bonum universale de
apibus als Vorlage:
„Anhand des Ameisenhaufens mit seinen Eigenschaften, die du als menschliche Sit-
ten verstehen sollst, wirst du tatsächlich die wahre Weisheit erfahren. Deswegen hat
einst, am Anfang unseres Ordens, unser Bruder Thomas von Brabant ein Buch über
die Bienen moralisiert, in dem er verschiedene Exempel und Wunder angeführt hat,
die sich zu seiner Zeit zugetragen hatten, damit das Vergessen, die Mutter der Un-
dankbarkeit, diese nicht verschwinden lässt.“196
Neben den Ameisen übernahm Nider auch den im einleitenden Bibelvers angespro-
chenen „Faulen“, denn der Formicarius ist als Lehrgespräch zwischen einem Schüler
namens Piger (= der Faule) und einem Lehrer namens Theologus angelegt. Das Ge-
samtwerk ist in fünf Bücher mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten geglie-
dert.197 Seinen Zeitgenossen war Nider als Verfechter der Reform von Klöstern und
Kirchen bekannt. Dem Observanten Ideal verpflichtet, Gläubige moralisch zu unter-
weisen, setzte er sich besonders für Predigt- und Seelsorgearbeit ein, und in diesem
Kontext ist auch sein Formicarius zu verorten. In der Forschung wurde es vor allem
als frühinquisitorisches Werk beachtet, und tatsächlich behandelt Nider ausführlich
„Hexerei“ als Glaubensdelikt und die dagegen notwendigen Verfolgungspraktiken.198
194 Ausführlich zum Werk: Tschacher, Der Formicarius, S. 83-125 zur Überlieferung, S. 127-131 zur
Datierung sowie S. 133-137 zum Aufbau.
195 Prv 6,6-8: Vade adformicam, o piger, et considera vias eins et disce sapientiam, quae cum non
habeat ducem nec praeceptorem nec principem parat aestate cibum sibi et congregat in messe
quod comedat. Mit diesem Bibelvers beginnt auch Nider, Formicarius 1,1. Eine kritische Edition
des Textes steht noch aus. Zitiert wird im Folgenden nach dem Druck von 1480: Universitäts- und
Landesbibliothek Darmstadt inc-iii-151.
196 Adformicam cum suis proprietatibus quas si humanis applicaveris moribus veram revera disces
sapientiam. Eandem enim ob causam olym in principio nostri ordinis noster frater Thomas Bra-
bantinus librum moralisavit de apibus eisdem applicans exempla et miracula suo facta tempore,
ne talia aboleret oblivio mater ingratitudinis. Nider, Formicarius 1,1. Universitäts- und Landesbi-
bliothek Darmstadt inc-iii-151, fol. 3v.
197 Buch 1: Frömmigkeit / Tugend als Beispiele guter Menschen; Buch 2: Visionen / Offenbarungen;
Buch 3: Täuschung und Häresie; Buch 4: vollkommene Menschen als Vorbilder; Buch 5: Dämonen
und Hexenwesen. S. hierzu Knapp, Literatur des Spätmittelalters II/2, S. 167.
198 S. hierzu Klaniczay, The Process of Trance.
 
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