III.3. Der Umgang mit Buch und Text
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ging es ihm um die verständliche Vermittlung von Erfahrungswissen, das er aus
eigenen Erinnerungen und dem individuellen Blick auf die Gegenwart bzw. die
jüngere Vergangenheit gewann. Davon künden die didaktische Entscheidung für
die Dialogform wie auch der Bezug auf bedeutende Kompilationen zeitgenössi-
scher Erzählbestände.208
Ein Werk im Werk: Die Gebetskommentare des Prager Erzbischofs Ernst
von Pardubitz
Unter den mittelalterlichen Lesarten und Bearbeitungen des „Bienenbuchs“ sticht ein
Beispiel besonders hervor. Es handelt sich um Anmerkungen und Gebete aus der
Feder des Prager Erzbischofs Ernst von Pardubitz (gest. 1364), die bislang in vier
böhmischen und schlesischen Handschriften aus dem 15. Jahrhundert nachgewiesen
werden konnten.209
Ernst von Pardubitz hatte nach seinem Studium in Bologna und Padua zunächst
einige Zeit am Papsthof in Avignon verbracht und wurde dann Domherr des Prager
Domkapitels. 1343 folgte er als Bischof von Prag auf Johann IV. von Drazice und
erhielt 1344, nach der Erhebung des Prager Bistums zum Erzbistum, die Würde des
ersten Erzbischofs von Prag.210 Schon von seinen Zeitgenossen wurde der Erzbischof
für seine Bibliophilie und Gelehrsamkeit gerühmt.211 Tatsächlich erlangte Ernst von
Pardubitz, der enge Verbindungen zu den luxemburgischen Königen Böhmens pfleg-
te, vor allem wegen seiner kirchenpolitischen Errungenschaften (z.B. Verwaltung
des neuen Erzbistums und synodale Organisation) große Bekanntheit.212 Überdies
galt der Erzbischof als bedeutender Förderer der reformierten Augustiner-Chorher-
ren, die im 14. und 15. Jahrhundert in Böhmen und Österreich im Zuge der sogenann-
ten „böhmischen Devotio moderna" zahlreiche neue Niederlassungen gründeten
oder bestehende Klöster reformierten.213 Entsprechend dem von den Reformern
208 Tersch, Monastic Reform. Zur Bedeutung des Dialogs für die klösterliche Unterweisung s. Brei-
tenstein, Dialog als Prinzip sowie grundlegend Cardelle de Hartmann, Lateinische Dialoge,
S. 79-95.
209 Die folgenden Ausführungen basieren auf den in Burkhardt, Tomas z Cantimpre zusammenge-
tragenen Befunden, die um neuere Erkenntnisse ergänzt wurden. Bei den Handschriften mit den
Gebetsformeln Ernsts handelt es sich um: Praha, Knihovna Närodniho muzea, cod. XIIF 3, Praha,
Närodni knihovna Ceske republiky, cod. XII B 2, Praha, Archiv Prazskeho Hradu / Archiv Metro-
politni kapituly u sv. Vita, cod. O XXV sowie Wroclaw, Biblioteka uniwersytecka, cod. IV F 187.
210 S. zum Leben Ernsts die aktuellen Beiträge in Arnost z Pardubic, hg. Bobkovä/Gladkiewicz sowie
Polc, Ernst von Pardubitz.
211 So beschrieb etwa Wilhelm von Lestkow in seiner Vita des Erzbischofs dessen besondere Bücher-
liebe: Die autem ad occasum solis uergente dum hunc cubile consuetum exciperet, sibi fecit vitas
patrum aut alium codicem edificatiuum tarn diu legere, donec ipsum ingens sopor leccionem non
sineret auscultare. Wilhelm von Lestkow, Zivot Arnosta, S. 390.
212 Suckale/Fajt, The circle of Charles IV, S. 38-40.
213 Kritisch zum Begriff „böhmische Devotio moderna“ und mit einer differenzierten Würdigung der
apostrophierten Reformbewegung: Rüther, Mittel und Wege.
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ging es ihm um die verständliche Vermittlung von Erfahrungswissen, das er aus
eigenen Erinnerungen und dem individuellen Blick auf die Gegenwart bzw. die
jüngere Vergangenheit gewann. Davon künden die didaktische Entscheidung für
die Dialogform wie auch der Bezug auf bedeutende Kompilationen zeitgenössi-
scher Erzählbestände.208
Ein Werk im Werk: Die Gebetskommentare des Prager Erzbischofs Ernst
von Pardubitz
Unter den mittelalterlichen Lesarten und Bearbeitungen des „Bienenbuchs“ sticht ein
Beispiel besonders hervor. Es handelt sich um Anmerkungen und Gebete aus der
Feder des Prager Erzbischofs Ernst von Pardubitz (gest. 1364), die bislang in vier
böhmischen und schlesischen Handschriften aus dem 15. Jahrhundert nachgewiesen
werden konnten.209
Ernst von Pardubitz hatte nach seinem Studium in Bologna und Padua zunächst
einige Zeit am Papsthof in Avignon verbracht und wurde dann Domherr des Prager
Domkapitels. 1343 folgte er als Bischof von Prag auf Johann IV. von Drazice und
erhielt 1344, nach der Erhebung des Prager Bistums zum Erzbistum, die Würde des
ersten Erzbischofs von Prag.210 Schon von seinen Zeitgenossen wurde der Erzbischof
für seine Bibliophilie und Gelehrsamkeit gerühmt.211 Tatsächlich erlangte Ernst von
Pardubitz, der enge Verbindungen zu den luxemburgischen Königen Böhmens pfleg-
te, vor allem wegen seiner kirchenpolitischen Errungenschaften (z.B. Verwaltung
des neuen Erzbistums und synodale Organisation) große Bekanntheit.212 Überdies
galt der Erzbischof als bedeutender Förderer der reformierten Augustiner-Chorher-
ren, die im 14. und 15. Jahrhundert in Böhmen und Österreich im Zuge der sogenann-
ten „böhmischen Devotio moderna" zahlreiche neue Niederlassungen gründeten
oder bestehende Klöster reformierten.213 Entsprechend dem von den Reformern
208 Tersch, Monastic Reform. Zur Bedeutung des Dialogs für die klösterliche Unterweisung s. Brei-
tenstein, Dialog als Prinzip sowie grundlegend Cardelle de Hartmann, Lateinische Dialoge,
S. 79-95.
209 Die folgenden Ausführungen basieren auf den in Burkhardt, Tomas z Cantimpre zusammenge-
tragenen Befunden, die um neuere Erkenntnisse ergänzt wurden. Bei den Handschriften mit den
Gebetsformeln Ernsts handelt es sich um: Praha, Knihovna Närodniho muzea, cod. XIIF 3, Praha,
Närodni knihovna Ceske republiky, cod. XII B 2, Praha, Archiv Prazskeho Hradu / Archiv Metro-
politni kapituly u sv. Vita, cod. O XXV sowie Wroclaw, Biblioteka uniwersytecka, cod. IV F 187.
210 S. zum Leben Ernsts die aktuellen Beiträge in Arnost z Pardubic, hg. Bobkovä/Gladkiewicz sowie
Polc, Ernst von Pardubitz.
211 So beschrieb etwa Wilhelm von Lestkow in seiner Vita des Erzbischofs dessen besondere Bücher-
liebe: Die autem ad occasum solis uergente dum hunc cubile consuetum exciperet, sibi fecit vitas
patrum aut alium codicem edificatiuum tarn diu legere, donec ipsum ingens sopor leccionem non
sineret auscultare. Wilhelm von Lestkow, Zivot Arnosta, S. 390.
212 Suckale/Fajt, The circle of Charles IV, S. 38-40.
213 Kritisch zum Begriff „böhmische Devotio moderna“ und mit einer differenzierten Würdigung der
apostrophierten Reformbewegung: Rüther, Mittel und Wege.