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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0042
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BUA 1,3

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hast.“ Weil sich aber der Erzbischof weigerte anzunehmen (er wusste
nämlich, dass nichts Gutes im Becher war), wurde er von den Gehilfen des
Teufels gewaltsam gedrängt, den Becher aus dessen Hand anzunehmen und
zu trinken, was ihn entsetzte. Bald darauf stieg durch die Ohren und Augen,
den Mund und die Nase eine schweflige Flamme auf, und so wurde er den 5
ewigen Feuern übergeben. Siehe, welches Ende diejenigen ereilt, die ihre
geistliche Fürsorge unwürdig wahmehmen, und nichtsdestoweniger die
unwürdig Herrschenden - welch furchtbare Strafe verdammt sie! Siehe also,
Leser, wie nützlich es ist, die Beförderung solcher Menschen mit einem
einmütigen Votum nicht nur für die Kirche, sondern auch für sie selbst zu 10
verhindern.
[6] Ich habe selbst einen anderen Erzbischof in Frankreich gesehen, einen
gelehrten und edlen Mann, den auf den Willen Gottes hin ungefähr folgende
Strafe ereilte. Im Jahr 1239 der Wiederauferstehung des Herrn ließ der
allerfrommste unter den Fürsten, König Ludwig von Frankreich,5 15
angestachelt von Bruder Heinrich aus Köln,6 einem außergewöhnlich guten
Prediger des Predigerordens, das schändlichste Buch der Juden, welches
Talmud genannt wird, unter Todesstrafe in Paris zusammenbringen. In
diesem Buch waren an den meisten Stellen unerhörte Häresien und
Blasphemien gegen Christus und seine Mutter niedergeschrieben. Deshalb 20
wurden verschiedene Abschriften dieses Buches in Paris
zusammengetragen, um sie zu verbrennen.7 Die weinenden Juden aber

5Ludwig IX. „der Heilige" (1214-1270), König von Frankreich seit 1226. Im „Bienenbuch"
bilden er und seine Familie einen wichtigen Referenzpunkt für Thomas von Cantimpre, der
immer wieder auch Dankbarkeit für die Unterstützung der königlichen Familie gegenüber den
Mendikanten anklingen lässt. Aus der umfassenden Forschungsliteratur sei für einen Überblick
zu Ludwigs Leben und Wirken verwiesen auf Le GOFF, Ludwig der Heilige sowie neuerdings
JONES, Before Church and State. | ^Offenbar Heinrich von Marsberg OP, deutscher
Dominikaner (gest. 1254). Der Text bietet allerdings keinen eindeutigen Hinweis darauf, wer
mit „ Heinrich von Köln “ gemeint ist — infrage käme auch Heinrich von Köln (1200-1229, nach
seinem Geburtsort auch genannt „von Mühlhausen"), der erste Prior des Kölner
Dominikanerklosters. Die in der einschlägigen Literatur immer wieder auftretende
Verwechslung beider Personen erklärt sich mit deren unspezifischen Beinamen („von Köln",
„ der Deutsche “), sicherlich aber auch mit Parallelen im Lebensweg (Ausbildung und Wirken in
Paris, Aufenthalt in Köln). Da sich Thomas mehrfach auf einen Henricus de Colonia beruft, an
anderen Stellen aber Informationen anführt, die eher zur Vita Heinrichs von Marsberg passen,
wird auch hier von Heinrich von Marsberg ausgegangen. Zur Problematik, Heinrich eindeutig
zu identifizieren, s. BURKHARDT, Predigerbrüder, S. 195-196. | 7Beschrieben werden die
Beschlagnahmung(en) und Verbrennung(en) von Talmud-Exemplaren in Paris in den 1240er
Jahren (sog. „Talmud-Prozess”). S. hierzu (mit Bezug auf die Darstellung bei Thomas von
Cantimpre) PLATELLE, Introduction, S. 44-46, PLATELLE, L'image des juifs, S. 289-293 sowie
SCHWARTZ, Authority. Ausführlich zum Kontext des Prozesses s. JORDAN, Marian devotion,
KRIEGEL, Le proces und CAPELLI, Nicolas Donin; die Quellen zum Prozess wurden
zusammengestellt in The Trial, hg. Chazan/Hoff/Friedman.
 
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