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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0072
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BUA 1,7

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mit Furcht und Schrecken weg. Für seidene, farbige und weiche Stoffe
nämlich könnte ein Lumpen als Vorgesetzter ertragen werden. Ich kann
jedoch nicht beurteilen, was der macht, der mit billigen Stoffen bedeckt ist.
Um die dargebotene Ehre zurückzuweisen, halte ich es jedenfalls eines
guten und vollkommenen Mannes für würdig, folgenden Spruch zu tun: 5
Weil „allein Gott Ehre und Ruhm ist“, der nämlich einst durch den
Propheten Jesaja ausgerufen hatte: „Ich werde meinen Ruhm keinem
anderen geben“.
[7] Ich weiß es nämlich, weil ich sicher bin, dass bei weltlichen und
adeligen Personen der Prunk weltlichen Ruhmes in bemerkenswerter Weise 10
getadelt und missbilligt wurde. Nahe unserer Zeit aber lebte eine höchst edle
Frau, die Gräfin Marie der Champagne10; sie war mit dem höchst edlen EL,
dem Grafen der Champagne,11 verheiratet und war die Tochter Ludwigs,12
des frommen Königs von Frankreich, und die Schwester König Philipps,13
ebenfalls König von Frankreich. Sie hatte vier Brüder, die Könige in 15
England waren,14 und einen Sohn, der jenseits des Meeres König war.15 Als
vor vielen Jahren ihr Ehemann gestorben war, reiste sie mit der prächtigsten
Prunksucht umher und fand sterbend folgendes Ende: Zum Äußersten
gekommen, bestellte sie den Abt von Perseigne,16 einen außerordentlich
heiligen und beredsamen Mann, um ihre letzte Reise zu machen. Als dieser 20
kam, wurde er nicht hineingelassen und wartete vor der Tür. Die Gräfin war
nämlich schon gestorben und ihre Hinterlassenschaften wurden von Rittern

10Marie, Gräfin der Champagne (1145-1198), Tochter Ludwigs VII. von Frankreich und
Eleonores von Aquitanien, Ehefrau Heinrichs L, Graf der Champagne. S. EVERGATES,
Aristocracy, S. 24-26 sowie ausführlich EVERGATES, Marie of France, besonders S. 98-99 zu
dieser Episode. | ^Heinrich I. „der Freigiebige“ (1127-1181), Graf der Champagne. S.
EVERGATES, Aristocracy, S. 15-24 sowie ausführlich EVERGATES, Henry the Liberal. | nLudwig
VII. (1120-1180), König von Frankreich. S. für einen Überblick EHLERS, Ludwig VII. sowie die
Beiträge in Louis VII, hg. BARDOT MARVIN. | ^Philipp II. Augustus (1165-1223), König von
Frankreich seit 1180. S. für einen Überblick EHLERS, Philipp II. Aus der Fülle der Literatur s.
die neueren Beiträge in Autour de Philippe Auguste, hg. Aurell/Sassier sowie die klassischen
Studien von Bradbury, Philip Augustus oder BALDWIN, Government. | ^Maries Mutter,
Eleonore von Aquitanien, war seit 1152 in zweiter Ehe mit König Heinrich II. von England
verheiratet. Aus dieser Ehe gingen folgende Söhne und mithin Maries Halbbrüder hervor:
Wilhelm (1153-1156); Heinrich „der Jüngere“ (1155-1183), englischer Mitkönig; Richard I.
„Löwenherz“ (1157-1199), König von England; Gottfried (Geoffrey, 1158-1186), Herzog der
Bretagne; Johann „Ohneland“ (1167-1216), König von England. Nur drei Halbbrüder Maries
waren demnach Könige (Heinrich, Richard und Johann); es ist deshalb unklar, wen Thomas
außerdem zu den „vier Königen” zählt. | 15 Heinrich II. (1166-1197), Graf der Champagne und
als Heinrich I. König von Jerusalem. S. EVERGATES, Aristocracy, S. 24-26 sowie S. 154-155.
l6Adam (gest. 1221), Abt des Zisterzienserklosters Perseigne. S. MAILLET, Un maitre spirituel.
EVERGATES argumentiert in Abgrenzung zur Darstellung bei Thomas von Cantimpre, Adam habe
Marie wohl zwar gekannt, sei jedoch nicht ihr Beichtvater oder geistlicher Beistand gewesen:
EVERGATES, Marie of France, S. 99.
 
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