Metadaten

Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0078
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5
10
15
20
25
30

BUA 1,8

73

[2] Von jenem ehrwürdigen Mauritius, dem Bischof von Le Mans, später
Erzbischof von Rouen, über den ich oben bereits berichtet habe,1 habe ich
durch die Erzählung des Herrn Robert, des Abts von Blois,2 erfahren. Als
der Winter bevorstand, wurde Robert selbst, der damals Kaplan des
genannten Erzbischofs war, vom Schatzmeister des Hauses ein Pelzwerk 5
gekauft und dargebracht. Als Robert selbst, ein alter und gebrechlicher
Mann, ein anderes, leichteres und feineres Pelzwerk forderte, sagte der
Erzbischof: „Lass mich das Pelzwerk sehen, welches er als allzu grob
zurückgewiesen hat.“ Als er es bald darauf mit den Händen berührte, sagte
er: „Geh und kaufe dem Herrn Robert ein feineres Pelzwerk; jenes aber lege 10
mir als Futter unter das Surkot“. Als aber der Herr Robert dies hörte,
errötete er sehr; weil er selbst, der Kaplan, das nicht als Pelzwerk tragen
wollte, was dem Erzbischof, seinem Herren, für die Kleidung über der
Tunika ausreichte.
Und man konnte so wunderbar am Erzbischof selbst sehen, dass er sich 15
gegenüber so sparsam und den Armen gegenüber so freigiebig war. Er
konnte nämlich kaum mit Geduld zusehen, wie die Verwalter an einem
einzigen Tag in seinem ganzen Haushalt drei oder vier Pfund ausgaben,
während doch sein Almosner jeden Tag zehn oder zwölf Pfund für die
Armen ausgab. Aber noch wunderbarer erschien es, dass er drei Paar 20
Riemen für ein Paar Schuhe und für das Eisen eines Zaumzeuges fünf Zügel
oder vier verwendete. Oft wechselte er seine Kleidung, die er älteren
Priestern oder armen Klerikern überließ. Er sagte aber den Verwaltern, als
sie das jährliche Einkommen seiner Diözese auf 12.000 Pfund berechneten:
„Behaltet zwei- oder dreitausend für den äußerst kargen Unterhalt unseres 25
Haushalts; an den übrigen Summen bin ich nicht interessiert. Es ist nämlich
das Geld der Armen und deshalb verteilt es an die Armen. Jene Gelder aber,
die mir bleiben, will ich wie ein Schatzmeister gebrauchen, nicht aber wie
ein Herr, damit sie mich am Tag des Jüngsten Gerichts nicht verhöhnen, und
ich, der ich ,auf tausend nicht eins antworten1 kann, werde wie ein unnützer 30

'Mauritius, Bischof von Le Mans (1216-1231/4) und Erzbischof von Rouen (1231-1235). S. für
weitere Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,1,4. I ^Offenbar Rogerius, Abt von Blois (1226).
S. Gallia Christiana VIII, Sp. 1393. Da Robert hier als Kaplan des Erzbischofs bezeichnet wird,
ist die Geschichte in den Jahren 1231 bis 1235 zu verorten.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften