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Thomas; Burkhardt, Julia [Editor]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0132
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BUA 1,17

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beschwert sich in seinem „Buch der Bekenntnisse“3 folgendermaßen über
sich selbst: „Als Knabe wurden mir die Zügel locker gelassen, über das
gehörige Maß verschiedener Zügellosigkeiten hinaus, und wie aus dem Fett
kam meine Ungerechtigkeit empor.“
[4] Man berichtet, dass sich ein Beispiel dafür in einem gewissen Teil von 5
England ereignet hat. An ein Kloster des schwarzen Ordens4 wurde einst ein
Knabe von seinen adeligen Eltern übergeben, um nach der Ordensregel
erzogen zu werden; und weil er an Gestalt schön, mit Geschenken der Natur
versehen und mit einem über sein Alter reichenden ehrerbietigen und
sittlichen Betragen begünstigt war, ließen zumeist die Älteren und die, die 10
Ämtern vorstanden, dem Knaben länger als es nötig war die Zügel locker.
Der Prior aber, der den Konvent unter dem Abt mit vornehmem Geist und
maßvoller Lenkung leitete, glaubte nicht, dass selbst einer solch
herausragenden Natur in einem solchen Alter zu trauen sei, denn wie der
Philosoph sagt: Knaben müssen nicht nur ermahnt, sondern auch 15
eingeschränkt werden. Er begann deshalb, den schon ein wenig übermütigen
Jungen mit Worten und dann und wann auch mit einer Geißel von
unerlaubten Dingen fernzuhalten. Der Junge nahm die Zurechtweisung des
Priors zu jeder Lehrstunde im Guten wie weiches Wachs an und entwickelte
sich zu einem heiligen und vollkommenen jungen Mann. Und als er nach 20
ungefähr zwanzig Jahren sein Leben beendet hatte und gestorben war,
erschien er dem Prior und sagte Folgendes: „Ich danke dir für deine
Zurechtweisung, Prior, der du mit deiner Fürsorge für mich erreicht hast,
dass ich nicht allmählich knabenhafter Unmäßigkeit verfiel und schließlich
in die Verdammnis stürzte.“ Als seine heilige Seele dies sagte, erstrahlte sie 25
in solchem Glanz, dass kaum irgendwo ein Winkel blieb, der von jenem
Licht frei war.

3Confessiones, eines der Hauptwerke des hl. Augustinus, verfasst zwischen 397 und 401.
Zentrale Themen des Werkes sind die Hinwendung des Augustinus zum christlichen Glauben
sowie philosophische Reflexionen über Zeit. S. FREDERIKSEN, Die „Confessiones" sowie zur
Erzähllogik des Werks GRETHLEIN, Zeit. | ‘'Benediktiner, die Benennung leitet sich von der
Farbe des Ordensgewandes ab.
 
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