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BUA 1,18
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Aber dein Flug, o Vorsteher, der du unbeständig umherschweifst und
fliehend entschwindest, wird niemals so beschaffen sein. Du brauchst die
Flügel der Taube nicht, um dich von dem Aufruhr der vorangehenden, der
nachfolgenden und der begleitenden Diener, sage ich, oder Gefährten, und
eher nicht der Herren, auszuruhen. Man sagt für gewöhnlich: Der Krieger 5
hat einen Diener im Gefolge, der Kleriker einen Gefährten, der Mönch den
Herrn. Wenn du willst, glaube dem Kundigen: Am häufigsten habe ich
Herren gesehen, die mit wenigen Dingen zufrieden sind, und Diener, die
nach Überflüssigem lechzen. Bei Vorstehern ist dies eine hässliche und
verabscheuenswerte Sache. Was ist tugendhafter als dies? Was ist 10
verdammenswerter? Und am meisten gilt das bei klösterlich Lebenden.
Anders ist es nämlich bei säkular lebenden Klerikern, obwohl selbst bei
jenen dieses Übel schädlich ist, sobald eine Sache in den Besitz übergeht,
was bei Religiösen, das heißt: bei den klösterlich Lebenden, niemals
geschehen kann, außer wenn zufällig einer zum Bischof gewählt wird; 15
diesem wird dennoch eine Befreiung gewährt und nicht Verschleuderung.1
Es sei dennoch fern, dass ich dem verdienten Lohn der Diener widerspreche,
weil es ja heißt: „Ruf die Arbeiter und gib ihnen ihren Lohn“. Aber ich halte
es nicht nur für unfromm, sondern sogar für ein Sakrileg, wenn ein Abt oder
Vorsteher seinen geistlichen Söhnen, von denen er am höchsten gehalten 20
wird, das Notwendige entzieht und seinen Dienern Überflüssiges zugesteht.
Diese kleiden sich mit billigen, jene von den Grafen mit weichen Tüchern;
diese erscheinen mit kuhledemen Schuhen gering, jene glänzen mit
bockledemen Stiefeln. Und hoffentlich reichten wenigstens diese Dinge aus,
weil sie lieber - wenn auch nicht auf Befehl der Herren wegen ihrer 25
Zurückhaltung und Furcht, so doch mit deren Zustimmung oder
Missachtung - große Geldsummen anhäufen; nachdem sie diese
Besitztümer erworben haben, übergehen sie beim Heiraten ihren Stand und
einfache Bauern werden Adeligen gleichgestellt. Wenn diese aber Brüder
] Angespielt wird offenbar auf die mögliche Dispensation bei der Pfründenübernahme eines
Bischofs in Verbindung mit der sog. Kommende, etwa um das Kumulationsverbot zu umgehen.
S. zu den materiellen Grundlagen des Bischofsamts SCHMIDT, Bischof, S. 62-67.
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Aber dein Flug, o Vorsteher, der du unbeständig umherschweifst und
fliehend entschwindest, wird niemals so beschaffen sein. Du brauchst die
Flügel der Taube nicht, um dich von dem Aufruhr der vorangehenden, der
nachfolgenden und der begleitenden Diener, sage ich, oder Gefährten, und
eher nicht der Herren, auszuruhen. Man sagt für gewöhnlich: Der Krieger 5
hat einen Diener im Gefolge, der Kleriker einen Gefährten, der Mönch den
Herrn. Wenn du willst, glaube dem Kundigen: Am häufigsten habe ich
Herren gesehen, die mit wenigen Dingen zufrieden sind, und Diener, die
nach Überflüssigem lechzen. Bei Vorstehern ist dies eine hässliche und
verabscheuenswerte Sache. Was ist tugendhafter als dies? Was ist 10
verdammenswerter? Und am meisten gilt das bei klösterlich Lebenden.
Anders ist es nämlich bei säkular lebenden Klerikern, obwohl selbst bei
jenen dieses Übel schädlich ist, sobald eine Sache in den Besitz übergeht,
was bei Religiösen, das heißt: bei den klösterlich Lebenden, niemals
geschehen kann, außer wenn zufällig einer zum Bischof gewählt wird; 15
diesem wird dennoch eine Befreiung gewährt und nicht Verschleuderung.1
Es sei dennoch fern, dass ich dem verdienten Lohn der Diener widerspreche,
weil es ja heißt: „Ruf die Arbeiter und gib ihnen ihren Lohn“. Aber ich halte
es nicht nur für unfromm, sondern sogar für ein Sakrileg, wenn ein Abt oder
Vorsteher seinen geistlichen Söhnen, von denen er am höchsten gehalten 20
wird, das Notwendige entzieht und seinen Dienern Überflüssiges zugesteht.
Diese kleiden sich mit billigen, jene von den Grafen mit weichen Tüchern;
diese erscheinen mit kuhledemen Schuhen gering, jene glänzen mit
bockledemen Stiefeln. Und hoffentlich reichten wenigstens diese Dinge aus,
weil sie lieber - wenn auch nicht auf Befehl der Herren wegen ihrer 25
Zurückhaltung und Furcht, so doch mit deren Zustimmung oder
Missachtung - große Geldsummen anhäufen; nachdem sie diese
Besitztümer erworben haben, übergehen sie beim Heiraten ihren Stand und
einfache Bauern werden Adeligen gleichgestellt. Wenn diese aber Brüder
] Angespielt wird offenbar auf die mögliche Dispensation bei der Pfründenübernahme eines
Bischofs in Verbindung mit der sog. Kommende, etwa um das Kumulationsverbot zu umgehen.
S. zu den materiellen Grundlagen des Bischofsamts SCHMIDT, Bischof, S. 62-67.