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[10] Weil er diese und ähnliche Dinge fürchtete, trat ein bemerkenswerter
junger Mann aus dem Gebiet der Römer, der Thomas von Aquin hieß, in
Bologna in den Predigerorden ein.8 Als er dort dem Herrn mit großem Eifer
und Hingabe des Geistes diente, beneidete ihn der Teufel und stachelte seine
Eltern und besonders seine zwei Brüder, die sehr mächtig und trotzig waren, 5
an. Diese erhielten vom Papst9 die Erlaubnis, dass er durch ein apostolisches
Schreiben zur Kurie vorgeladen wurde; ihm wurde, wie sich zeigte,
befohlen, den Ordenshabit abzulegen und sich mit kirchlichen Würden zu
schmücken. Als er dies mit wundersamer Beständigkeit verweigerte, wurde
er auf hinterhältige Weise von seinen Brüdern, von denen schon die Rede 10
war, entführt und heimlich in einen Kerker gestoßen; obwohl er dort unter
großem Hunger, Kälte und Not litt, konnten seine Folterknechte es dennoch
nie durchsetzen, dass er auch nur den Habit des angenommenen Ordens oder
Speisen zu tauschen bereit war. Und als sie noch nichtsnutziger über alles
nachdachten, wodurch sie seinen jugendlichen Geist brechen könnten, 15
schlossen sie für einige Zeit Frauen mit ihm in den Kerker ein. Jener aber
war noch tapferer als früher, widerstand der Verlockung und überdauerte so
zwei oder drei Jahre im Kerker.
Als nun Johannes frommen und heiligen Gedenkens, der Meister des
Predigerordens,10 nach Rom kam, beschwerte er sich bei Kaiser Friedrich11 20
über die Entführung und Inhaftierung des Bruders. Der Kaiser klagte,
nachdem die Angelegenheit untersucht und festgestellt worden war, wie es
oben beschrieben wurde, die erwähnten Adeligen an. Und sie wären der
Todesstrafe auf keine Weise entronnen, wenn der erwähnte Meister bei
^Thomas von Aquin OP (1224/5-1274), Philosoph und Gelehrter, Kirchenlehrer, seit 1256
Magister der Theologie an der Universität Paris, später zudem Magister in Rom und Neapel. Er
entstammte einer Adelsfamilie aus Roccasecca nördlich von Neapel, die in Verbindung mit dem
Hof Friedrichs II. (s. Anm. 11) stand. Anders als Thomas von Cantimpre berichtet, schloss sich
Thomas von Aquin jedoch nicht in Bologna, sondern in Neapel den Dominikanern an. S. dazu
HORST, Thomas von Aquin. Zur zeitgenössischen Rezeption seines Ordenseintritts s. HORST, Was
hat Thomas von Aquin sowie RÄSÄNEN, Family vs Order. | 9Im Hinblick auf die zeitliche
Konkordanz ist offenbar Innozenz IV. (Sinibaldo Fieschi, um 1195-1254; Papst seit 1243)
gemeint. Die Geschichte lässt sich in der Version Thomas' von Cantimpre historisch jedoch
nicht exakt belegen. Vielmehr scheint es sich hier um eine dominikanische Berichtstradition zu
handeln: Eine ähnliche Erzählung ist bereits bei Gerard von Frachet sowie später bei
Tholomeus von Lucca überliefert. Vgl. dazu HORST, Was hat Thomas von Aquin, S. 112-117
sowie zu den Abhängigkeiten der jeweiligen Autoren RÄSÄNEN, Family vs Order. | ^Johannes
von Wildeshausen OP („Teutonicus“, um 1180-1252), Generalmeister des Dominikanerordens
seit 1241, 1231-1233 Provinzial der Ordensprovinz Ungarn, 1233-1237 Bischof von Bosnien. S.
zu seinem Leben und Wirken GlERATEIS, Art. „Johannes Teutonicus“, GyÖRKÖS, Magyar
vonatkozäsü sowie RABIC, Im toten Winkel. | ^Friedrich II. (1194-1250), Kaiser, deutscher
König, König von Sizilien und Jerusalem. S. aus der Fülle der Literatur für einen Überblick
STÜRNER, Friedrich II. sowie GOUGUENHEIM, Frederic II.
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[10] Weil er diese und ähnliche Dinge fürchtete, trat ein bemerkenswerter
junger Mann aus dem Gebiet der Römer, der Thomas von Aquin hieß, in
Bologna in den Predigerorden ein.8 Als er dort dem Herrn mit großem Eifer
und Hingabe des Geistes diente, beneidete ihn der Teufel und stachelte seine
Eltern und besonders seine zwei Brüder, die sehr mächtig und trotzig waren, 5
an. Diese erhielten vom Papst9 die Erlaubnis, dass er durch ein apostolisches
Schreiben zur Kurie vorgeladen wurde; ihm wurde, wie sich zeigte,
befohlen, den Ordenshabit abzulegen und sich mit kirchlichen Würden zu
schmücken. Als er dies mit wundersamer Beständigkeit verweigerte, wurde
er auf hinterhältige Weise von seinen Brüdern, von denen schon die Rede 10
war, entführt und heimlich in einen Kerker gestoßen; obwohl er dort unter
großem Hunger, Kälte und Not litt, konnten seine Folterknechte es dennoch
nie durchsetzen, dass er auch nur den Habit des angenommenen Ordens oder
Speisen zu tauschen bereit war. Und als sie noch nichtsnutziger über alles
nachdachten, wodurch sie seinen jugendlichen Geist brechen könnten, 15
schlossen sie für einige Zeit Frauen mit ihm in den Kerker ein. Jener aber
war noch tapferer als früher, widerstand der Verlockung und überdauerte so
zwei oder drei Jahre im Kerker.
Als nun Johannes frommen und heiligen Gedenkens, der Meister des
Predigerordens,10 nach Rom kam, beschwerte er sich bei Kaiser Friedrich11 20
über die Entführung und Inhaftierung des Bruders. Der Kaiser klagte,
nachdem die Angelegenheit untersucht und festgestellt worden war, wie es
oben beschrieben wurde, die erwähnten Adeligen an. Und sie wären der
Todesstrafe auf keine Weise entronnen, wenn der erwähnte Meister bei
^Thomas von Aquin OP (1224/5-1274), Philosoph und Gelehrter, Kirchenlehrer, seit 1256
Magister der Theologie an der Universität Paris, später zudem Magister in Rom und Neapel. Er
entstammte einer Adelsfamilie aus Roccasecca nördlich von Neapel, die in Verbindung mit dem
Hof Friedrichs II. (s. Anm. 11) stand. Anders als Thomas von Cantimpre berichtet, schloss sich
Thomas von Aquin jedoch nicht in Bologna, sondern in Neapel den Dominikanern an. S. dazu
HORST, Thomas von Aquin. Zur zeitgenössischen Rezeption seines Ordenseintritts s. HORST, Was
hat Thomas von Aquin sowie RÄSÄNEN, Family vs Order. | 9Im Hinblick auf die zeitliche
Konkordanz ist offenbar Innozenz IV. (Sinibaldo Fieschi, um 1195-1254; Papst seit 1243)
gemeint. Die Geschichte lässt sich in der Version Thomas' von Cantimpre historisch jedoch
nicht exakt belegen. Vielmehr scheint es sich hier um eine dominikanische Berichtstradition zu
handeln: Eine ähnliche Erzählung ist bereits bei Gerard von Frachet sowie später bei
Tholomeus von Lucca überliefert. Vgl. dazu HORST, Was hat Thomas von Aquin, S. 112-117
sowie zu den Abhängigkeiten der jeweiligen Autoren RÄSÄNEN, Family vs Order. | ^Johannes
von Wildeshausen OP („Teutonicus“, um 1180-1252), Generalmeister des Dominikanerordens
seit 1241, 1231-1233 Provinzial der Ordensprovinz Ungarn, 1233-1237 Bischof von Bosnien. S.
zu seinem Leben und Wirken GlERATEIS, Art. „Johannes Teutonicus“, GyÖRKÖS, Magyar
vonatkozäsü sowie RABIC, Im toten Winkel. | ^Friedrich II. (1194-1250), Kaiser, deutscher
König, König von Sizilien und Jerusalem. S. aus der Fülle der Literatur für einen Überblick
STÜRNER, Friedrich II. sowie GOUGUENHEIM, Frederic II.