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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0218
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BUA 1,25

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er ging oder saß - mit dem Daumen das Zeichen des Kreuzes auf die Brust.
Es geschah aber, dass er nach Mainz kam und dort krank wurde; an der
immer stärker werdenden Krankheit starb er mit wundersamer Schnelligkeit
und wurde vor Ort bei den Minderbrüdem6 bestattet. Die Predigerbrüder
hatten nämlich in dieser Stadt noch keinen Platz.7 Als sie dies erfuhren, 5
entsandten die Straßburger Predigerbrüder zwei Brüder für den Körper ihres
verstorbenen Priors; aber vergebens, denn die Minderbrüder wollten den
Bestatteten nicht zurückgeben. Wenige Jahre später aber trug es sich zu,
dass, als die Minderbrüder an einen anderen Ort umsiedelten,8 die
Straßburger Predigerbrüder wiederum zwei Brüder nach Mainz zur 10
Überführung des Leichnams des besagten Priors bestimmten. Nachdem
diese ohne Widerspruch die Knochen an sich genommen hatten, kehrten sie
glücklich nach Straßburg zurück.
Was noch? Die Brüder spülten die Knochen sorgfältig sauber und brachten
das Brustbein, dem von beiden Seiten Rippen oberhalb anhaften, wieder 15
zum Vorschein: Es war mit dem kunstvollsten Kreuz geziert und glich
einem Schild im Inneren des Herzens. Es war ein Kreuz, für dessen Anblick
ich selbst 40 Meilen auf mich genommen habe und das ich mit eigenen
Augen freudig gesehen habe.9 Es war in der Mitte des Knochens platziert
und bestand aus Knochensubstanz und war zu einer höchst 20
bemerkenswerten Dicke aufgerichtet. Das Kreuz war mit drei oberen Armen
von gleicher Länge und einem angemessen längeren unteren Arm versehen.
Die Enden der drei oberen Arme aber waren wie die Krümmungen einer
Lilie gebogen und der untere Arm war zugespitzt, als ob er in den Brustkorb
eingeschlagen werden musste. Woran also denken wir beim Zeichen des 25
körperlichen Kreuzes auf dem Brustbein, wenn nicht an die Passionsmaie
des Todes Christi, die wir zuvor im Kopf hatten? Und wofür stehen die
Blätter der gekrümmten Lilie an den Enden des Kreuzes, wenn nicht für das

^Franziskanerkonvent in Mainz. Die erste Erwähnung von Franziskanern in Mainz datiert von
1221. S. hierzu BERGER, Die Bettelorden in der Erzdiözese Mainz, S. 112-116. | 7Der Mainzer
Dominikanerkonvent wurde um 1256/1257 gegründet, s. BERGER, Die Bettelorden in der
Erzdiözese Mainz, S. 106-111. Der Hinweis Thomas' auf die spätere Ansiedelung der
Dominikaner lässt sich in dieser Geschichte als — mehr oder weniger subtile — Anspielung auf
die größere Aktualität der Dominikaner deuten. S. BURKEIARDT, Welt der Mendikanten, S. 86f.
sAb 1240 verfügten die Franziskaner über die Walpurgiskapelle von Kloster Altmünster; ab ca.
1250 wurde mit dem Bau des späteren Konventsgebäudes begonnen — die Darstellung könnte
auf diese Zusammenhänge verweisen. S. BERGER, Die Bettelorden in der Erzdiözese Mainz, S.
113. | 9 Es ist unklar, auf welchen Ort sich diese Entfernungsangabe bezieht. Thomas ’ eigenen
Angaben zufolge hatte er im Westen des Reichs Köln (ca. 370 km von Straßburg entfernt) und
Trier (ca. 220 km von Straßburg entfernt) bereist (vgl. z.B. Thom. Cantimpr. BUA 11,49,17).
 
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