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BUA 11,3
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[3] Höre also, was gesagt wurde und furchte die Drohungen eines so großen
Richters. Wie nämlich jener unvergleichliche Gelehrte Augustinus2 sagt:
„Es ist nicht wichtig, unter wessen Befehl ein sterblicher Mensch dient“,
solange jener, der befiehlt, „ihn nicht zu gottlosen und ungerechten Taten
zwingt.“ „Einem Menschen dient man nämlich glücklicher als der 5
Begierde.“ Bedenke, dass Christus, Gottes Sohn, von der himmlischen
Erhabenheit selbst zu unserer Not hinabgestiegen ist; er, der andere durch
seine Erlösung wahrlich frei gemacht hat, der wollte, dass man sich den
Eltern unterwirft und der durch unsere Ungerechtigkeit gemäß dem
Propheten härteste Knechtschaft ertrug. Daher sollst du erkennen, was 10
weiter oben gesagt wurde: „Dass die den Müttern unterworfenen Jüngeren
nichts ohne Befehl der Älteren tun“.3
Das trifft bestens auf die klösterlich Lebenden zu, die, weil sie dem eigenen
Willen entsagt haben, nichts ohne den Befehl der Älteren oder wenigstens
eine Erlaubnis tun dürfen. Erkennt, klösterlich Lebende, dass der Fürst 15
unseres Heils, Jesus, nicht gekommen ist, um seinen Willen, sondern den
des Vaters zu erfüllen; und dadurch wird gezeigt, dass er - als er dem Vater
bis zum Tod gehorchte - keine freien Hände oder keine freien Füße besaß
(denn sie waren ans Kreuz genagelt) und dass sein heiliger Körper
unbeweglich war; er besaß nur einen freien Mund, um zu beten. Der Geist 20
desjenigen Dieners, sage ich dir, Teuerster, ist schuldig, der einen solchen
Herrn, der solche Dinge ertragen hat, nicht nachahmen will. Du wirst also
nicht freie Hände haben, um etwas zu geben oder zu tun, freie Füße zum
Umhergehen, freie Glieder, um etwas zu unternehmen, sondern dir wird,
weil dein ganzer Körper mit Christus an das Kreuz der Reue geschlagen ist, 25
allein die Sprache frei zum Beten, Beichten und Loben übrig bleiben. Die
Augen werden durch die Neugier versucht: Beachte die verborgenen Augen
Christi. Die Ohren werden durch eitles Gerede versucht: Christus hat
2Hl. Augustinus (354-430), S. Anm. 1. | 3Vgl. die Überschrift dieses Kapitels sowie Thom.
Cantimpr Ldnr IX, 2, 38-39.
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[3] Höre also, was gesagt wurde und furchte die Drohungen eines so großen
Richters. Wie nämlich jener unvergleichliche Gelehrte Augustinus2 sagt:
„Es ist nicht wichtig, unter wessen Befehl ein sterblicher Mensch dient“,
solange jener, der befiehlt, „ihn nicht zu gottlosen und ungerechten Taten
zwingt.“ „Einem Menschen dient man nämlich glücklicher als der 5
Begierde.“ Bedenke, dass Christus, Gottes Sohn, von der himmlischen
Erhabenheit selbst zu unserer Not hinabgestiegen ist; er, der andere durch
seine Erlösung wahrlich frei gemacht hat, der wollte, dass man sich den
Eltern unterwirft und der durch unsere Ungerechtigkeit gemäß dem
Propheten härteste Knechtschaft ertrug. Daher sollst du erkennen, was 10
weiter oben gesagt wurde: „Dass die den Müttern unterworfenen Jüngeren
nichts ohne Befehl der Älteren tun“.3
Das trifft bestens auf die klösterlich Lebenden zu, die, weil sie dem eigenen
Willen entsagt haben, nichts ohne den Befehl der Älteren oder wenigstens
eine Erlaubnis tun dürfen. Erkennt, klösterlich Lebende, dass der Fürst 15
unseres Heils, Jesus, nicht gekommen ist, um seinen Willen, sondern den
des Vaters zu erfüllen; und dadurch wird gezeigt, dass er - als er dem Vater
bis zum Tod gehorchte - keine freien Hände oder keine freien Füße besaß
(denn sie waren ans Kreuz genagelt) und dass sein heiliger Körper
unbeweglich war; er besaß nur einen freien Mund, um zu beten. Der Geist 20
desjenigen Dieners, sage ich dir, Teuerster, ist schuldig, der einen solchen
Herrn, der solche Dinge ertragen hat, nicht nachahmen will. Du wirst also
nicht freie Hände haben, um etwas zu geben oder zu tun, freie Füße zum
Umhergehen, freie Glieder, um etwas zu unternehmen, sondern dir wird,
weil dein ganzer Körper mit Christus an das Kreuz der Reue geschlagen ist, 25
allein die Sprache frei zum Beten, Beichten und Loben übrig bleiben. Die
Augen werden durch die Neugier versucht: Beachte die verborgenen Augen
Christi. Die Ohren werden durch eitles Gerede versucht: Christus hat
2Hl. Augustinus (354-430), S. Anm. 1. | 3Vgl. die Überschrift dieses Kapitels sowie Thom.
Cantimpr Ldnr IX, 2, 38-39.