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BUA 11,10
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niemand beiderlei Geschlechts unter dir unfruchtbar sein.“ So sagt nämlich
der Philosoph: „Untätiger Müßiggang pflegt das Leben zum Hass auf sich
selbst zu bringen.“ Gib dich also der Arbeit hin, weil es „schändlich ist, vor
einer Last zu weichen.“ „Es ist nämlich kein Mann tapfer und tüchtig, der
vor der Arbeit flieht.“ „Hände sollen keine Anstrengung zurückweisen“, aus 5
der das ehrliche Leben besteht. Die Muße des Armen ist nämlich der
Schande ausgesetzt. Die untätige Hand „hat niemals Zeit für Übermut, und
nichts ist so gewiss, wie die Fehler des Müßiggangs durch Tätigkeit zu
verscheuchen.“ „Es ist erstaunlich, dass tapfer etwas von einem Menschen
gesagt oder getan wird, der sich der Weichlichkeit verschrieben hat.“ „Du 10
wirst dich nähren von deiner Hände Arbeit.“ „Dem Gerechten nämlich
gereicht“, wie Salomon sagt, „sein Erwerb zum Leben, dem Gottlosen aber
sein Gewinn zur Sünde.“ „Die Frucht guter Arbeit aber ist herrlich.“ Daher
wird dem Gerechten am Ende gesagt: „Gebt ihm von der Frucht ihrer
Hände, und seine Werke sollen ihn loben in den Toren loben!“ Paulus war, 15
wie der höchst ruhmreiche Augustinus1 sagt, „auf andere Weise erzogen“
und schrieb wie ein Edler an die Korinther: „Wir mühen uns“, sagt er, „mit
unserer Hände Arbeit“. Und an die Kolosser:2 „Wir arbeiteten Tag und
Nacht, um niemandem von euch zur Last zu fallen“.
[3] Ich denke an die berühmte Jungfrau Mathilde, die erwiesenermaßen zu 20
unserer Zeit gelebt hat. Sie war die Tochter des Königs von Schottland, wie
wir aus einem glaubhaften Bericht wissen, und hatte vier Brüder: einen
Herzog, der bitterarm in der Verbannung lebte, nachdem er seine Frau für
Christus verlassen hatte; ebenso einen Grafen, der ein Einsiedlerleben
führte; ebenso einen Erzbischof, der nach der Niederlegung seiner 25
Regierung in den Orden der Zisterzienser eintrat.3 Der vierte war Alexander,
1Hl. Augustinus (354-430), Kirchenlehrer, seit 396 Bischof von Hippo Regius. S. für weitere
Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,1,1. | ^Fehlerhafte Zuweisung, das folgende Zitat
stammt aus den Thessalonicherbriefen. | ^Mathilda von Tappion (gest. um 1220), für eine
heiligmäßige Lebensführung verehrte Religiose. Die von Thomas von Cantimpre beschriebenen
familiären Verbindungen lassen sich wegen des Mangels an Detailangaben nicht eindeutig
zuordnen. Eine Datierung erlaubt allein die etwa zeitgleich zum „Bienenbuch" entstandene
Chronik des Zisterziensers Alberich von Troisfontaines (gest. 1252), die für Mathilda 1220 und
für ihren Bruder 1229 als Todesdatum benennt. Damit fiele die angedeutete familiäre
Verbindung zum schottischen Königshaus in die Zeit Alexanders II. (1198-1249, König von
Schottland 1214-1249), der mit Maria von Coucy (gest. 1285), einer Tochter Enguerrans III.
von Coucy (gest. 1242) und Marias von Montmirail (gest. 1272), verheiratet war. Zur Familie
von Montmirail wiederum scheint Thomas von Cantimpre über den Ritter Philipp von
Montmirail in Kontakt gestanden zu haben; dies dürfte seine Darstellung von Alexanders und
Mathildas Verbindungen zu den Klöstern in der Picardie entscheidend geprägt haben. S. hierzu
kritisch TOLONEN, Secret Lineage, S. 72-75 sowie POLLOCK, Scotland, England and France, S.
91-93. S. außerdem Chron. Albr, S. 911 und 925.
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niemand beiderlei Geschlechts unter dir unfruchtbar sein.“ So sagt nämlich
der Philosoph: „Untätiger Müßiggang pflegt das Leben zum Hass auf sich
selbst zu bringen.“ Gib dich also der Arbeit hin, weil es „schändlich ist, vor
einer Last zu weichen.“ „Es ist nämlich kein Mann tapfer und tüchtig, der
vor der Arbeit flieht.“ „Hände sollen keine Anstrengung zurückweisen“, aus 5
der das ehrliche Leben besteht. Die Muße des Armen ist nämlich der
Schande ausgesetzt. Die untätige Hand „hat niemals Zeit für Übermut, und
nichts ist so gewiss, wie die Fehler des Müßiggangs durch Tätigkeit zu
verscheuchen.“ „Es ist erstaunlich, dass tapfer etwas von einem Menschen
gesagt oder getan wird, der sich der Weichlichkeit verschrieben hat.“ „Du 10
wirst dich nähren von deiner Hände Arbeit.“ „Dem Gerechten nämlich
gereicht“, wie Salomon sagt, „sein Erwerb zum Leben, dem Gottlosen aber
sein Gewinn zur Sünde.“ „Die Frucht guter Arbeit aber ist herrlich.“ Daher
wird dem Gerechten am Ende gesagt: „Gebt ihm von der Frucht ihrer
Hände, und seine Werke sollen ihn loben in den Toren loben!“ Paulus war, 15
wie der höchst ruhmreiche Augustinus1 sagt, „auf andere Weise erzogen“
und schrieb wie ein Edler an die Korinther: „Wir mühen uns“, sagt er, „mit
unserer Hände Arbeit“. Und an die Kolosser:2 „Wir arbeiteten Tag und
Nacht, um niemandem von euch zur Last zu fallen“.
[3] Ich denke an die berühmte Jungfrau Mathilde, die erwiesenermaßen zu 20
unserer Zeit gelebt hat. Sie war die Tochter des Königs von Schottland, wie
wir aus einem glaubhaften Bericht wissen, und hatte vier Brüder: einen
Herzog, der bitterarm in der Verbannung lebte, nachdem er seine Frau für
Christus verlassen hatte; ebenso einen Grafen, der ein Einsiedlerleben
führte; ebenso einen Erzbischof, der nach der Niederlegung seiner 25
Regierung in den Orden der Zisterzienser eintrat.3 Der vierte war Alexander,
1Hl. Augustinus (354-430), Kirchenlehrer, seit 396 Bischof von Hippo Regius. S. für weitere
Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,1,1. | ^Fehlerhafte Zuweisung, das folgende Zitat
stammt aus den Thessalonicherbriefen. | ^Mathilda von Tappion (gest. um 1220), für eine
heiligmäßige Lebensführung verehrte Religiose. Die von Thomas von Cantimpre beschriebenen
familiären Verbindungen lassen sich wegen des Mangels an Detailangaben nicht eindeutig
zuordnen. Eine Datierung erlaubt allein die etwa zeitgleich zum „Bienenbuch" entstandene
Chronik des Zisterziensers Alberich von Troisfontaines (gest. 1252), die für Mathilda 1220 und
für ihren Bruder 1229 als Todesdatum benennt. Damit fiele die angedeutete familiäre
Verbindung zum schottischen Königshaus in die Zeit Alexanders II. (1198-1249, König von
Schottland 1214-1249), der mit Maria von Coucy (gest. 1285), einer Tochter Enguerrans III.
von Coucy (gest. 1242) und Marias von Montmirail (gest. 1272), verheiratet war. Zur Familie
von Montmirail wiederum scheint Thomas von Cantimpre über den Ritter Philipp von
Montmirail in Kontakt gestanden zu haben; dies dürfte seine Darstellung von Alexanders und
Mathildas Verbindungen zu den Klöstern in der Picardie entscheidend geprägt haben. S. hierzu
kritisch TOLONEN, Secret Lineage, S. 72-75 sowie POLLOCK, Scotland, England and France, S.
91-93. S. außerdem Chron. Albr, S. 911 und 925.