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ein Geschenk oder ein Almosen von irgendjemandem anzunehmen. Sie
weigerte sich, mit weiteren Armen im August Ähren zu binden, aber sie
sammelte zusammen mit den Schweinen die letzten und spärlichen Reste,
die plündernden Händen entgangen waren. Sie hatte kaum eine Unterlage
für die Glieder, und ihr Kopf lag auf einer Höhe mit den Schultern; Speise 5
und Trank nahm sie ein, indem sie sich auf ihre harthäutigen Knie warf; dies
tat sie auch bei den ausgedehntesten Gebeten. Bei Gebeten war sie auf
vielfältige Weise derart mit allen Sinnen entrückt, dass sie Blitze nicht
wahrnahm und Donner nicht hörte.
[4] Ich will wahrhaftig nichts über ihren Bruder Alexander6 außer Acht 10
lassen, zumal es ziemlich angenehm ist: Als ein gewisser Mönch einmal
wegen eines Geschwürs eine fistelhafte Brust hatte und er zum Grab des
schon Verstorbenen betete, erschien ihm Bruder Alexander, leuchtender als
die Sonne; er trug eine Krone in den Händen und war mit einer Kopfkrone
angetan. Als aber der Mönch fragte, was die doppelte Krone bedeutete, 15
sagte er: „Die Krone, die ich in meinen Händen halte, entspricht der
irdischen Krone, welche ich für Christus aufgegeben habe; jene Krone aber,
die ich auf dem Kopf trage, ist die Krone, die ich in Gemeinschaft mit den
Heiligen angenommen habe. Und damit dir in dieser Vision beherzter
geglaubt wird, wirst du gemäß deinem Glauben von aller Unannehmlichkeit, 20
von der du gequält wirst, geheilt sein.“
[5] Und es ist zu bemerken, dass er bis zum Tage seines Todes unerkannt
blieb. Damals durch den Gehorsam gegenüber seinem Prior gebunden,
offenbarte er sich dann als Bruder der heiligen Mathilde von Lappion und
als Sohn des Königs von Schottland.7 Es hatte ihn jedoch eine gewisse Tat 25
beim Adel bekannt gemacht, von der er viel später bedauerte, dass sie sich
zugetragen hatte. Ein sehr edler Mann nämlich, der Herr Hugo von
Rumigny,8 hatte einen Eber von gewaltiger Größe durch die Jagd müde
gemacht, und hatte ihn damit, wie es die Natur einer Bestie ist, gezwungen
stehenzubleiben. Der Adelige aber stieg vom Pferd, und hatte seinen Dolch 30
^Alexander (gest. um 1229), Bruder Mathildas von Lappion, s. Anm. 4. | 7Zur Identifizierung
und Erläuterung der familiären Zusammenhänge von Alexander und Mathilda von Lappion s.
Anm. 3 und 4. | ^Offenbar Hugues I. de Rumigny (gest. um 1226), Herr von Florennes
(Henne gau). S. zu seinem Leben und Wirken ROLAND, His toi re genealogique, S. 189-204 sowie
ROLAND, Histoire genealogique, Supplement, S. 34-35.
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ein Geschenk oder ein Almosen von irgendjemandem anzunehmen. Sie
weigerte sich, mit weiteren Armen im August Ähren zu binden, aber sie
sammelte zusammen mit den Schweinen die letzten und spärlichen Reste,
die plündernden Händen entgangen waren. Sie hatte kaum eine Unterlage
für die Glieder, und ihr Kopf lag auf einer Höhe mit den Schultern; Speise 5
und Trank nahm sie ein, indem sie sich auf ihre harthäutigen Knie warf; dies
tat sie auch bei den ausgedehntesten Gebeten. Bei Gebeten war sie auf
vielfältige Weise derart mit allen Sinnen entrückt, dass sie Blitze nicht
wahrnahm und Donner nicht hörte.
[4] Ich will wahrhaftig nichts über ihren Bruder Alexander6 außer Acht 10
lassen, zumal es ziemlich angenehm ist: Als ein gewisser Mönch einmal
wegen eines Geschwürs eine fistelhafte Brust hatte und er zum Grab des
schon Verstorbenen betete, erschien ihm Bruder Alexander, leuchtender als
die Sonne; er trug eine Krone in den Händen und war mit einer Kopfkrone
angetan. Als aber der Mönch fragte, was die doppelte Krone bedeutete, 15
sagte er: „Die Krone, die ich in meinen Händen halte, entspricht der
irdischen Krone, welche ich für Christus aufgegeben habe; jene Krone aber,
die ich auf dem Kopf trage, ist die Krone, die ich in Gemeinschaft mit den
Heiligen angenommen habe. Und damit dir in dieser Vision beherzter
geglaubt wird, wirst du gemäß deinem Glauben von aller Unannehmlichkeit, 20
von der du gequält wirst, geheilt sein.“
[5] Und es ist zu bemerken, dass er bis zum Tage seines Todes unerkannt
blieb. Damals durch den Gehorsam gegenüber seinem Prior gebunden,
offenbarte er sich dann als Bruder der heiligen Mathilde von Lappion und
als Sohn des Königs von Schottland.7 Es hatte ihn jedoch eine gewisse Tat 25
beim Adel bekannt gemacht, von der er viel später bedauerte, dass sie sich
zugetragen hatte. Ein sehr edler Mann nämlich, der Herr Hugo von
Rumigny,8 hatte einen Eber von gewaltiger Größe durch die Jagd müde
gemacht, und hatte ihn damit, wie es die Natur einer Bestie ist, gezwungen
stehenzubleiben. Der Adelige aber stieg vom Pferd, und hatte seinen Dolch 30
^Alexander (gest. um 1229), Bruder Mathildas von Lappion, s. Anm. 4. | 7Zur Identifizierung
und Erläuterung der familiären Zusammenhänge von Alexander und Mathilda von Lappion s.
Anm. 3 und 4. | ^Offenbar Hugues I. de Rumigny (gest. um 1226), Herr von Florennes
(Henne gau). S. zu seinem Leben und Wirken ROLAND, His toi re genealogique, S. 189-204 sowie
ROLAND, Histoire genealogique, Supplement, S. 34-35.