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Thomas; Burkhardt, Julia [Editor]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0394
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BUA 11,13

389

[2] Diese Gnade also, diese Würde, erwartet er gerade deswegen in der
Stille, weil sie eine empfindliche Sache ist, wie der heilige Bernhard3 sagt:
„Die Zuneigung der Liebe und die geistige Fröhlichkeit werden bei geringer
Gelegenheit verletzt.“ Daher sagt Salomon: „Sprache, die unangemessen ist,
wird den Geist zu Grunde richten.“ Im vierten Buch der Könige wird gesagt, 5
dass der Herr „nicht im Feuer“, nicht in der Aufregung, nicht im Wirbel,
sondern im Säuseln „des schwachen Lufthauchs“ ist, dort ist der Herr.
[3] Über die Stille und die Wenigkeit der Worte sagt Seneca:4 „Halte dies
für sehr tugendhaft, dass du lange geschwiegen hast.“ Der Philosoph
Arkesilaos5 sagt, darüber befragt, wie jemand den Menschen gefallen kann: 10
„Wenn er hervorragende Dinge tut und wenig redet.“ „Sokrates6 antwortet
einem, der fragt, wie er am besten reden kann: Wenn du nichts sagst, was du
nicht auch gut verstehst.“ Der Philosoph Solon7 „wurde, als er schwieg,
während andere sprachen, 11 gefragt, ob er aus Mangel an Worten schweige oder weil
er dumm sei; und er sagte: Kein dummer Mensch kann schweigen. Theokrit8 15
sagt bei einem Gastmahl zu einem schweigenden Bauern: Von den Klugen
besitzt du allein dies, dass du schweigst.“ „Sokrates bezähmt die
geschwätzige Kleona, die lernen will, indem er sagt: Sprechen und Lernen
vertragen sich nicht zugleich, weil es dem Lernenden zukommt zu
schweigen.“ „Nichts wird auf gleiche Weise nützlich sein, als zu schweigen, 20
sehr wenig mit anderen zu reden und am meisten mit sich selbst.“ „Dies sei
die Zusammenfassung unseres Gegenstandes: Was wir empfinden, lasst uns
sagen, und was wir sagen, lasst uns empfinden. Die Sprache soll mit dem
Leben in Einklang stehen.“ „Deine Sprache sei nicht leer, sondern möge so
entweder überzeugen oder bewegen oder ermutigen oder belehren.“ „Meide 25

3 Hl. Bernhard von Clairvaux (1090-1153), Gründer und Abt der Zisterzienserabtei Clairvaux
sowie weiterer zisterzienischer Abteien, Gelehrter, Kreuzzugsprediger S. für weitere
Informationen Thom. Cantimpr. BUA 11,5,2. Das von Thomas verwendete Zitat stammt jedoch
nicht aus Bernhards Kommentar zum Hohelied, sondern aus dessen Fortsetzung, die der
Zisterzienser Gilbertus von Hoyland (gest. 1172), der Abt des Klosters Swineshead (Lincoln),
verfasste. S. zu ihm GERWING, Art. „Gilbert". | ^Lucius Annaeus Seneca der Jüngere (gest. 65
n. Chr), Politiker und Philosoph. S. für weitere Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,1,1.
5Offenbar Arkesilaos (ca. 315-241 v. Chr), griechischer Philosoph. | ^Sokrates (469-399 v.
Chr), griechischer Philosoph, der als Begründer der Ethik gilt. Zur Bedeutung Sokrates' im
Mittelalter s. LäARMANN, Art. „Sokrates im MA". | 7Offenbar Solon (640-560 v. Chr.),
griechischer Staatsmann, Dichter und Philosoph. Zur Bedeutung Solons im Mittelalter s.
PSILAKIS, Reminiscences. | ^Offenbar Theokrit (gest. um 250 v. Chr), griechischer Dichter.
 
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