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die schimpflichen Dinge, bevor sie geschehen, und furchte niemanden mehr
als dich selbst.“ „Enthalte dich auch schändlicher Worte, weil du durch
deren Zügellosigkeit die Schamlosigkeit nährst. Liebe nützliche Reden mehr
als witzige und leutselige, richtige mehr als willfährige.“ „Als tadelnswert
wird eine Rede verlacht, wenn sie maßlos ist, auf kindische Weise 5
überschwänglich, auf weibische oder unnütze Weise erbrochen, oder wenn
sie durch andere Übel hervorgerufen worden ist.“ „Deine Witze mögen ohne
einen Zahn sein, deine Scherze ohne Leichtigkeit, dein Spott ohne
Gelächter, deine Stimme ohne Geschrei, dein Gang ohne Aufregung. Die
Ruhe wird für dich ohne Müßiggang sein, und während sich andere 10
verlustieren, wirst du etwas Heiliges und Ehrenhaftes unternehmen.“ „Wer
nicht schweigen kann, kann auch nicht sprechen.“ „Wie sich für den weisen
Mann ein gemessenerer Gang schickt, so gehört sich für ihn auch ein
gemäßigtes, nicht aber kühnes Wort. Das Ergebnis von all diesem wird sein:
Ich befehle dir, langsam zu reden.“ O wie viel Mühe ist es, dass das, was du 15
erwirbst, standhaft und von inwendiger Güte ist? Wenn du wüsstest, was
„ein guter Mann ist, würdest du noch nicht glauben, dass du einer bist, und
vielleicht auch keine Hoffnung haben, auch zu einem werden zu können.“
[4] Von wie großer Tugend aber die Stille ist, werde ich anhand eines
höchst einleuchtenden Beispiels zeigen: Das Kloster des Benediktinerordens 20
in Affligem in Brabant9 ist äußerst bewährt im Glauben und ausgezeichnet
in der Nächstenliebe. In diesem Kloster gab es einen Mönch, der sich der
Stille so verschrieben hatte, dass in 16 Jahren für eine so lange Zeit aus
seinem Mund keine einzige Silbe eines Wortes gehört wurde. Es geschah
aber, wie wir von den Mönchen ebendort gehört haben, dass im Kloster ein 25
sehr schweres Feuer tobte. In diesem Augenblick wandte sich derselbe
Mönch, als er sah, dass menschliche Hilfe nicht stark genug war, zur
göttlichen Hilfe hin und löste für kurze Zeit seine so lange stumme Zunge,
9Benediktiner-Abtei Affligem in Brabant, die 1063 von Pfalzgraf Heinrich II. von Lothringen
(1064-1085) gegründet wurde. S. für weitere Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,4,4.
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die schimpflichen Dinge, bevor sie geschehen, und furchte niemanden mehr
als dich selbst.“ „Enthalte dich auch schändlicher Worte, weil du durch
deren Zügellosigkeit die Schamlosigkeit nährst. Liebe nützliche Reden mehr
als witzige und leutselige, richtige mehr als willfährige.“ „Als tadelnswert
wird eine Rede verlacht, wenn sie maßlos ist, auf kindische Weise 5
überschwänglich, auf weibische oder unnütze Weise erbrochen, oder wenn
sie durch andere Übel hervorgerufen worden ist.“ „Deine Witze mögen ohne
einen Zahn sein, deine Scherze ohne Leichtigkeit, dein Spott ohne
Gelächter, deine Stimme ohne Geschrei, dein Gang ohne Aufregung. Die
Ruhe wird für dich ohne Müßiggang sein, und während sich andere 10
verlustieren, wirst du etwas Heiliges und Ehrenhaftes unternehmen.“ „Wer
nicht schweigen kann, kann auch nicht sprechen.“ „Wie sich für den weisen
Mann ein gemessenerer Gang schickt, so gehört sich für ihn auch ein
gemäßigtes, nicht aber kühnes Wort. Das Ergebnis von all diesem wird sein:
Ich befehle dir, langsam zu reden.“ O wie viel Mühe ist es, dass das, was du 15
erwirbst, standhaft und von inwendiger Güte ist? Wenn du wüsstest, was
„ein guter Mann ist, würdest du noch nicht glauben, dass du einer bist, und
vielleicht auch keine Hoffnung haben, auch zu einem werden zu können.“
[4] Von wie großer Tugend aber die Stille ist, werde ich anhand eines
höchst einleuchtenden Beispiels zeigen: Das Kloster des Benediktinerordens 20
in Affligem in Brabant9 ist äußerst bewährt im Glauben und ausgezeichnet
in der Nächstenliebe. In diesem Kloster gab es einen Mönch, der sich der
Stille so verschrieben hatte, dass in 16 Jahren für eine so lange Zeit aus
seinem Mund keine einzige Silbe eines Wortes gehört wurde. Es geschah
aber, wie wir von den Mönchen ebendort gehört haben, dass im Kloster ein 25
sehr schweres Feuer tobte. In diesem Augenblick wandte sich derselbe
Mönch, als er sah, dass menschliche Hilfe nicht stark genug war, zur
göttlichen Hilfe hin und löste für kurze Zeit seine so lange stumme Zunge,
9Benediktiner-Abtei Affligem in Brabant, die 1063 von Pfalzgraf Heinrich II. von Lothringen
(1064-1085) gegründet wurde. S. für weitere Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,4,4.