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hatte, weil sie sich durch irgendeinen verborgenen, aber dennoch
natürlichen Instinkt mit der stürmischen Kraft der Begierde dafür entschied.
Der Gemeinschaft des Hofes aber blieb die Sache gänzlich verborgen, weil
der Abt strikt verbot, sie bekannt zu machen.
[6] Auf den Abt selbst aber hatte die Sache großen Einfluss, wie er selbst 5
sagte, so dass er, der zuvor normalerweise sparsam war, sich vor allen
Äbten des Ordens freigiebig und fromm gegenüber den Armen zeigte.
Nachdem dieser im Kloster Clairvaux zum Abt gewählt und versetzt worden
war, wurde er, als er mit vielen Erzbischöfen, Bischöfen, Äbten und
Vorstehern von Papst Gregor IX. zum Generalkonzil gerufen worden war,6 10
von Kaiser Friedrich in der Lombardei gefangen genommen und nach drei
Jahren vom Kaiser selbst für die Verdienste seines Lebens entlassen und
wenig später den menschlichen Angelegenheiten entzogen.7 Wir sehen, dass
dieser auf sehr besondere Weise den Tränen ergeben war und wie jene
sagten, die ihn besser kannten, widmete er sich so beständig der göttlichen 15
Betrachtung, dass sich der Herr ihm in vielerlei Erscheinung zeigte. Einige
darüber aufgeschriebene und erwiesene Dinge haben wir gesehen.
[7] Aber hierauf wollen wir lieber in besonderer Weise etwas darüber
erfahren, dass dem Armen Brot gegeben werden muss, und zwar ereigneten
sich als Beispiel für diese Sache im Jahre 1195 der Fleischwerdung des 20
Herrn viele Wunder in Frankreich und Deutschland. Von diesen Wundem
möchte ich eines erzählen, das einer gewissen Matrone in Brabant
geschehen ist, die ich bestens kenne. Es gab zu jener Zeit diesseits der
Alpen und des englischen Meeres eine immense Hungersnot, so dass eine
sehr große Menge des gemeinen Volkes starb. Damals begann jene 25
Matrone, die wir genannt haben und die wegen ihrer Herkunft und ihres
Vermögens berühmt war, freigiebig ohne Gewicht, Maß oder Zahl für die
Bedürftigen zu spenden. Als ihr Mann, ein Ritter, dies sah, schränkte er sie
ein und sorgte dafür, dass ihr in jeder einzelnen Woche nur eine bestimmte
61241 hatte Gregor IX. (Hugo von Segni, ca. 1170-1241, Papst seit 1227) für Ostern ein Konzil
einberufen, auf dem über die Absetzung Kaiser Friedrichs II. befunden werden sollte; die
Versammlung kam jedoch nicht zustande, weil der Kaiser die Teilnehmer bei ihrer Anreise
verhaften ließ. S. hierzu KIRSCH, Das allgemeine Konzil, S. 188-204 sowie unten Anm. 7. Zu
Gregor IX. s. überdies Thom. Cantimpr. BUA 1,9,7. | 7Friedrich II. (1194-1250; Kaiser,
deutscher König, König von Sizilien und Jerusalem) ließ an Ostern 1241 über 100
Konzilsteilnehmer in der Seeschlacht von Giglio abfangen und inhaftieren. Während der
daraufhin erfolgenden Belagerung Roms durch Friedrich II. starb Gregor IX. im August 1241.
S. dazu STÜRNER, Friedrich II., Teil 2, S. 498-502. Zu Friedrich II. s. überdies Thom. Cantimpr.
BUA 1,20,10.
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hatte, weil sie sich durch irgendeinen verborgenen, aber dennoch
natürlichen Instinkt mit der stürmischen Kraft der Begierde dafür entschied.
Der Gemeinschaft des Hofes aber blieb die Sache gänzlich verborgen, weil
der Abt strikt verbot, sie bekannt zu machen.
[6] Auf den Abt selbst aber hatte die Sache großen Einfluss, wie er selbst 5
sagte, so dass er, der zuvor normalerweise sparsam war, sich vor allen
Äbten des Ordens freigiebig und fromm gegenüber den Armen zeigte.
Nachdem dieser im Kloster Clairvaux zum Abt gewählt und versetzt worden
war, wurde er, als er mit vielen Erzbischöfen, Bischöfen, Äbten und
Vorstehern von Papst Gregor IX. zum Generalkonzil gerufen worden war,6 10
von Kaiser Friedrich in der Lombardei gefangen genommen und nach drei
Jahren vom Kaiser selbst für die Verdienste seines Lebens entlassen und
wenig später den menschlichen Angelegenheiten entzogen.7 Wir sehen, dass
dieser auf sehr besondere Weise den Tränen ergeben war und wie jene
sagten, die ihn besser kannten, widmete er sich so beständig der göttlichen 15
Betrachtung, dass sich der Herr ihm in vielerlei Erscheinung zeigte. Einige
darüber aufgeschriebene und erwiesene Dinge haben wir gesehen.
[7] Aber hierauf wollen wir lieber in besonderer Weise etwas darüber
erfahren, dass dem Armen Brot gegeben werden muss, und zwar ereigneten
sich als Beispiel für diese Sache im Jahre 1195 der Fleischwerdung des 20
Herrn viele Wunder in Frankreich und Deutschland. Von diesen Wundem
möchte ich eines erzählen, das einer gewissen Matrone in Brabant
geschehen ist, die ich bestens kenne. Es gab zu jener Zeit diesseits der
Alpen und des englischen Meeres eine immense Hungersnot, so dass eine
sehr große Menge des gemeinen Volkes starb. Damals begann jene 25
Matrone, die wir genannt haben und die wegen ihrer Herkunft und ihres
Vermögens berühmt war, freigiebig ohne Gewicht, Maß oder Zahl für die
Bedürftigen zu spenden. Als ihr Mann, ein Ritter, dies sah, schränkte er sie
ein und sorgte dafür, dass ihr in jeder einzelnen Woche nur eine bestimmte
61241 hatte Gregor IX. (Hugo von Segni, ca. 1170-1241, Papst seit 1227) für Ostern ein Konzil
einberufen, auf dem über die Absetzung Kaiser Friedrichs II. befunden werden sollte; die
Versammlung kam jedoch nicht zustande, weil der Kaiser die Teilnehmer bei ihrer Anreise
verhaften ließ. S. hierzu KIRSCH, Das allgemeine Konzil, S. 188-204 sowie unten Anm. 7. Zu
Gregor IX. s. überdies Thom. Cantimpr. BUA 1,9,7. | 7Friedrich II. (1194-1250; Kaiser,
deutscher König, König von Sizilien und Jerusalem) ließ an Ostern 1241 über 100
Konzilsteilnehmer in der Seeschlacht von Giglio abfangen und inhaftieren. Während der
daraufhin erfolgenden Belagerung Roms durch Friedrich II. starb Gregor IX. im August 1241.
S. dazu STÜRNER, Friedrich II., Teil 2, S. 498-502. Zu Friedrich II. s. überdies Thom. Cantimpr.
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