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BUA 11,26
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[5] Hierauf wollen wir aber sehen, was sich beinahe in unserer Zeit unter
einem gewissen sehr religiösen Abt im Kloster Villers in Brabant ereignete.6
In dieses Kloster wurde nach dem Tod eines gewissen Wucherers in Namur
eine gewaltige Summe an Geld, ungefähr 1.600 Pfund, gebracht. Als von
diesem Geld viele Besitztümer gekauft worden waren, wurde ein gewisser 5
Mann von striktem Gewissen zum Abt des Klosters gewählt.
Als er die Sachlage kennenlemte, war er betrübt und schickte das Geld,
nachdem alle Schafe, Vieh und beweglichen Dinge wieder verkauft worden
waren, nach Namur zurück, um es jedem Einzelnen, der dessen beraubt
worden war, zurückzugeben. Weil aber niemand die Aufgabe der Erstattung 10
annehmen wollte, wurde das Geld wiederum zum Kloster gebracht. Der
fromme Abt zürnte also den Boten und befahl das Geld abermals
zurückzutragen und auf dem Marktplatz in Anwesenheit der Bürger und des
gesamten Volkes niederzulegen und er sagte: „Wer will, soll das Geld
annehmen; ich lehne ab, dass uns gehört, was zweifelsohne unrecht 15
erworben wurde.“ Als die Bürger dies sahen, waren sie nicht wenig erbaut
und gaben das Geld bei einer eigens dazu abgehaltenen gemeinschaftlichen
Versammlung durch die Hände vertrauenswürdiger Männer jedem
Einzelnen zurück, dem Unrecht geschehen war.
Gott aber gab dem Kloster nicht viel später zehnfach so viel zurück. Und 20
während man vorher sagte, dass es sehr ärmlich und beinahe bettelarm
gewesen ist, sehen wir heute doch nur ein auserlesenes, an vielen Gütern
reiches und stark vergrößertes Kloster.
[6] In diesem Kloster haben wir viele Heilige und sehr viele gesehen, die
durch den Geist der Vorsehung und durch Wunder berühmt waren. Unter 25
ihnen haben wir einen gewissen Walter gesehen, genannt „von Utrecht“, der
zwar ein Mann von edler Herkunft war, reich und fein im irdischen Leben,
am besten in der Schrift und auch sehr im Quadrivium unterwiesen, den ich
aber dennoch bis dahin niemals so - in seinen Augen - gering oder wahrhaft
('Zisterzienserabtei Villers, 1146 als Tochterabtei von Clairvaux gegründet. S. zur Geschichte
Brouette, Abbaye de Villers, S. 363-366 sowie COOMANS, L' abbaye. Für weitere Exempel mit
Bezug auf Villers s. Thom. Cantimpr. BUA 1,9,3; ebd. 11,10,8 sowie ebd. 11,25,5.
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[5] Hierauf wollen wir aber sehen, was sich beinahe in unserer Zeit unter
einem gewissen sehr religiösen Abt im Kloster Villers in Brabant ereignete.6
In dieses Kloster wurde nach dem Tod eines gewissen Wucherers in Namur
eine gewaltige Summe an Geld, ungefähr 1.600 Pfund, gebracht. Als von
diesem Geld viele Besitztümer gekauft worden waren, wurde ein gewisser 5
Mann von striktem Gewissen zum Abt des Klosters gewählt.
Als er die Sachlage kennenlemte, war er betrübt und schickte das Geld,
nachdem alle Schafe, Vieh und beweglichen Dinge wieder verkauft worden
waren, nach Namur zurück, um es jedem Einzelnen, der dessen beraubt
worden war, zurückzugeben. Weil aber niemand die Aufgabe der Erstattung 10
annehmen wollte, wurde das Geld wiederum zum Kloster gebracht. Der
fromme Abt zürnte also den Boten und befahl das Geld abermals
zurückzutragen und auf dem Marktplatz in Anwesenheit der Bürger und des
gesamten Volkes niederzulegen und er sagte: „Wer will, soll das Geld
annehmen; ich lehne ab, dass uns gehört, was zweifelsohne unrecht 15
erworben wurde.“ Als die Bürger dies sahen, waren sie nicht wenig erbaut
und gaben das Geld bei einer eigens dazu abgehaltenen gemeinschaftlichen
Versammlung durch die Hände vertrauenswürdiger Männer jedem
Einzelnen zurück, dem Unrecht geschehen war.
Gott aber gab dem Kloster nicht viel später zehnfach so viel zurück. Und 20
während man vorher sagte, dass es sehr ärmlich und beinahe bettelarm
gewesen ist, sehen wir heute doch nur ein auserlesenes, an vielen Gütern
reiches und stark vergrößertes Kloster.
[6] In diesem Kloster haben wir viele Heilige und sehr viele gesehen, die
durch den Geist der Vorsehung und durch Wunder berühmt waren. Unter 25
ihnen haben wir einen gewissen Walter gesehen, genannt „von Utrecht“, der
zwar ein Mann von edler Herkunft war, reich und fein im irdischen Leben,
am besten in der Schrift und auch sehr im Quadrivium unterwiesen, den ich
aber dennoch bis dahin niemals so - in seinen Augen - gering oder wahrhaft
('Zisterzienserabtei Villers, 1146 als Tochterabtei von Clairvaux gegründet. S. zur Geschichte
Brouette, Abbaye de Villers, S. 363-366 sowie COOMANS, L' abbaye. Für weitere Exempel mit
Bezug auf Villers s. Thom. Cantimpr. BUA 1,9,3; ebd. 11,10,8 sowie ebd. 11,25,5.