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ärmlich gesehen habe.7 Über ihn berichtete mir Abt Robert von Vaucelles8
in einem persönlichen Gespräch, dass er aus dem Mund jenes Mannes
häufig gehört hatte, dass dieser entweder den halben oder den ganzen Tag,
solange er meditierte und betete, in solcher Lauterkeit und Ruhe des Geistes
gewesen sei, dass sein Geist nicht einmal durch den feinsten Gedanken auf 5
der anderen Seite erschüttert wurde. Und ich zweifele darüber hinaus nicht,
dass es diesen Menschen gegeben hat.
[7] Es gibt ein weiteres Übel, vor dem sich die Vorsteher hüten müssen, und
zwar bei denen, die außerhalb Geschäfte treiben. Gewisse Leute nämlich
besitzen, wie ich wahrhaftig in Erfahrung gebracht habe, keine Skrupel, zur 10
Förderung ihres Hauses andere Menschen zu belügen. Sie bringen dabei als
Schutzherren der Lüge Abraham und Sara, Isaak und Jakob und Ähnliche
aus dem Alten Testament an, gleichsam als sei diesen auch unter dem
Neuen Testament erlaubt, was einst unter dem Alten Testament erlaubt war.
Sie achten nicht darauf, was der Herr im Evangelium gesagt hat: „Wenn ihr 15
nicht mehr Gerechtigkeit habt als die Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet
ihr nicht in das Himmelreich eintreten.“ Wahrhaft, aber auch wenn es den
weltlich Lebenden - was noch fehlte! - bei irgendeiner Gelegenheit
freistünde, so doch niemals den Religiösen und Klosterleuten, die sich zur
Vollkommenheit des Lebens und einem gottgefälligen Lebenswandel 20
bekannt haben.
[8] Ich erinnere mich an etwas, das ich von einem Laien, einem sehr
einfachen Mann, in Cambrai erfahren habe. Gewisse Religiose hatten das
ihm gegebene Versprechen nicht eingehalten. Weil er nicht sah, wie er sie
sonst entschuldigen könnte, sagte er: „Täglich brechen diese mir gegenüber 25
lügnerisch, was sie versprochen haben; aber ich glaube, dass sie wegen der
zügellosen Erlaubnis ihres Abtes lügen.“
''Walter von Utrecht (gest. 1221), Abt von Villers seit 1214. S. BROUETTE, Abbaye de Villers, S.
372-373. | ^Robert de Saint-Venant, Abt von Vaucelles 1204-1238. S. Gallia Christiana III, Sp.
177f. sowie SALZER, Vaucelles Abbey, S. 210 und 226. Abweichend (1237) wird Roberts Tod
datiert bei TERRIER ALIFERIS, La datation, S. 417.
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ärmlich gesehen habe.7 Über ihn berichtete mir Abt Robert von Vaucelles8
in einem persönlichen Gespräch, dass er aus dem Mund jenes Mannes
häufig gehört hatte, dass dieser entweder den halben oder den ganzen Tag,
solange er meditierte und betete, in solcher Lauterkeit und Ruhe des Geistes
gewesen sei, dass sein Geist nicht einmal durch den feinsten Gedanken auf 5
der anderen Seite erschüttert wurde. Und ich zweifele darüber hinaus nicht,
dass es diesen Menschen gegeben hat.
[7] Es gibt ein weiteres Übel, vor dem sich die Vorsteher hüten müssen, und
zwar bei denen, die außerhalb Geschäfte treiben. Gewisse Leute nämlich
besitzen, wie ich wahrhaftig in Erfahrung gebracht habe, keine Skrupel, zur 10
Förderung ihres Hauses andere Menschen zu belügen. Sie bringen dabei als
Schutzherren der Lüge Abraham und Sara, Isaak und Jakob und Ähnliche
aus dem Alten Testament an, gleichsam als sei diesen auch unter dem
Neuen Testament erlaubt, was einst unter dem Alten Testament erlaubt war.
Sie achten nicht darauf, was der Herr im Evangelium gesagt hat: „Wenn ihr 15
nicht mehr Gerechtigkeit habt als die Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet
ihr nicht in das Himmelreich eintreten.“ Wahrhaft, aber auch wenn es den
weltlich Lebenden - was noch fehlte! - bei irgendeiner Gelegenheit
freistünde, so doch niemals den Religiösen und Klosterleuten, die sich zur
Vollkommenheit des Lebens und einem gottgefälligen Lebenswandel 20
bekannt haben.
[8] Ich erinnere mich an etwas, das ich von einem Laien, einem sehr
einfachen Mann, in Cambrai erfahren habe. Gewisse Religiose hatten das
ihm gegebene Versprechen nicht eingehalten. Weil er nicht sah, wie er sie
sonst entschuldigen könnte, sagte er: „Täglich brechen diese mir gegenüber 25
lügnerisch, was sie versprochen haben; aber ich glaube, dass sie wegen der
zügellosen Erlaubnis ihres Abtes lügen.“
''Walter von Utrecht (gest. 1221), Abt von Villers seit 1214. S. BROUETTE, Abbaye de Villers, S.
372-373. | ^Robert de Saint-Venant, Abt von Vaucelles 1204-1238. S. Gallia Christiana III, Sp.
177f. sowie SALZER, Vaucelles Abbey, S. 210 und 226. Abweichend (1237) wird Roberts Tod
datiert bei TERRIER ALIFERIS, La datation, S. 417.