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BUA 11,28
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[8] Wenig später aber verschwand ohne jede Verzögerung plötzlich der
Habit des Ordens der Minderbrüder, das heißt die Tunika mit der
angenähten Kapuze, die über ihm ausgebreitet da lag, und wurde niemals
später gesehen.
[9] Als also nach seinem Tod diejenigen von den Brüdern, die an seinem 5
Grab standen, den Psalm „De profundis“ singen wollten, konnten sie ihn mit
keiner Anstrengung und keiner Wiederholung beenden oder singen,
offenbar, weil dadurch zu erkennen gegeben werden sollte, dass jene heilige
Seele keinerlei Hilfe durch Gebete nötig hatte. Ich glaube, dass dies auch für
mich, der ich wiederholt an seinem Grab betete, zutraf. 10
[10] Nach dem Tod des Knaben aber haben seine Eltern es nach dem
Vorbild ihres Sohnes so weit gebracht, dass sie alle Vergnügungen des
Diesseits aufgaben und unmittelbar zu dieser Zeit in einen Orden eintraten,
der Vater in den Orden der Prediger, die Mutter aber in den der
Zisterzienser. 15
[11] Von vergleichbarer Frömmigkeit, wenn auch nicht von vergleichbarem
Alter, weil er älter war, ist ein sehr edler Knabe im Alter von dreizehn
Jahren in Deutschland gewesen. Dieser Sohn des Grafen von Flankenberg
wurde von seiner Mutter zum König von Frankreich geschickt, seinem
Verwandten, um mit dessen Söhnen erzogen zu werden.* * * 5 Aber weil es ja 20
Sitte ist, dass sich Landsleute besonders in fremden Ländern aneinander
freuen, geschah es, dass der genannte Knabe, Albert mit Namen, den Bruder
Jordan seligsten Angedenkens, den Magister des Predigerordens, der von
deutscher Herkunft war und zu dieser Zeit in Paris weilte,6 sowie andere
deutsche Brüder besuchte. Als er dies öfter und länger tat, begannen für den 25
jungen Mann aus einer Unterredung mit dem heiligen Mann die irdischen
Dinge wertlos zu werden, die himmlischen aber zu gefallen, und er plante,
in den Orden einzutreten und bei Magister Jordan insgeheim um den Beitritt
zum Orden zu bitten.
Glas beschriebene Grafengeschlecht ist nicht eindeutig zu identifizieren. S. hierzu die Diskussion
bei PLATELLE, Les exemples, S. 291. | 6Jordan von Sachsen OP (Ende 12. Jh.-1237), seit 1221
Provinzial der Ordensprovinz Lombardia, seit 1222 Generalmagister des Dominikanerordens.
S. für weitere Informationen Thom. Cantimpr. BUA 11,19,2. Ein Aufenthalt Jordans am Pariser
Konvent ist jeweils für die Jahre 1220, 1222, 1223-24, 1226, 1227-28, 1229, 1230, 1234 und
1236 belegt. S. hierzu REICETERT, Itinerar.
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[8] Wenig später aber verschwand ohne jede Verzögerung plötzlich der
Habit des Ordens der Minderbrüder, das heißt die Tunika mit der
angenähten Kapuze, die über ihm ausgebreitet da lag, und wurde niemals
später gesehen.
[9] Als also nach seinem Tod diejenigen von den Brüdern, die an seinem 5
Grab standen, den Psalm „De profundis“ singen wollten, konnten sie ihn mit
keiner Anstrengung und keiner Wiederholung beenden oder singen,
offenbar, weil dadurch zu erkennen gegeben werden sollte, dass jene heilige
Seele keinerlei Hilfe durch Gebete nötig hatte. Ich glaube, dass dies auch für
mich, der ich wiederholt an seinem Grab betete, zutraf. 10
[10] Nach dem Tod des Knaben aber haben seine Eltern es nach dem
Vorbild ihres Sohnes so weit gebracht, dass sie alle Vergnügungen des
Diesseits aufgaben und unmittelbar zu dieser Zeit in einen Orden eintraten,
der Vater in den Orden der Prediger, die Mutter aber in den der
Zisterzienser. 15
[11] Von vergleichbarer Frömmigkeit, wenn auch nicht von vergleichbarem
Alter, weil er älter war, ist ein sehr edler Knabe im Alter von dreizehn
Jahren in Deutschland gewesen. Dieser Sohn des Grafen von Flankenberg
wurde von seiner Mutter zum König von Frankreich geschickt, seinem
Verwandten, um mit dessen Söhnen erzogen zu werden.* * * 5 Aber weil es ja 20
Sitte ist, dass sich Landsleute besonders in fremden Ländern aneinander
freuen, geschah es, dass der genannte Knabe, Albert mit Namen, den Bruder
Jordan seligsten Angedenkens, den Magister des Predigerordens, der von
deutscher Herkunft war und zu dieser Zeit in Paris weilte,6 sowie andere
deutsche Brüder besuchte. Als er dies öfter und länger tat, begannen für den 25
jungen Mann aus einer Unterredung mit dem heiligen Mann die irdischen
Dinge wertlos zu werden, die himmlischen aber zu gefallen, und er plante,
in den Orden einzutreten und bei Magister Jordan insgeheim um den Beitritt
zum Orden zu bitten.
Glas beschriebene Grafengeschlecht ist nicht eindeutig zu identifizieren. S. hierzu die Diskussion
bei PLATELLE, Les exemples, S. 291. | 6Jordan von Sachsen OP (Ende 12. Jh.-1237), seit 1221
Provinzial der Ordensprovinz Lombardia, seit 1222 Generalmagister des Dominikanerordens.
S. für weitere Informationen Thom. Cantimpr. BUA 11,19,2. Ein Aufenthalt Jordans am Pariser
Konvent ist jeweils für die Jahre 1220, 1222, 1223-24, 1226, 1227-28, 1229, 1230, 1234 und
1236 belegt. S. hierzu REICETERT, Itinerar.