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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0608
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BUA 11,29

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[39] Wenn ich solche und diesen ähnliche Geschehnisse und Tatenberichte
über Jungfrauen zu meiner Zeit berichten würde, würde mir eher die Zeit
ausgehen als die Beispiele. Ich habe nämlich mehrere Töchter von Grafen
und Baronen gesehen, die, weil sie die Ehe ablehnten, in Klöstern oder
Gemeinschaften das keusche Leben von Jungfrauen wählten. Von diesen 5
habe ich unter den anderen eine Tochter des Grafen von Vianden namens
Yolanda gesehen,58 die bei der Predigt eines gewissen Bruders des
Predigerordens, Walther mit Namen, den wir weiter oben bereits erwähnt
haben,59 ihre Eltern mit unerhörter Beständigkeit davon überzeugte, dass sie
Jesus Christus als ihrem Verlobten mit den Schwestern des Predigerordens 10
im Kloster Marienthal in der Diözese Trier frei dienen wollte.60 Sie war
nämlich als Enkelin des Herrschers der Römer61 und Cousine des
griechischen Kaisers62 und Schwester des Fürsten von Achaia63 von den
Eltern und Freunden darauf vorbereitet worden, in einer vornehmen Ehe
verbunden zu werden, durch die deren Nachkommenschaft erhöht werden 15
könnte. Jene aber beabsichtigte andere Dinge und bewegte die Mutter im
Herzen, die Schwestern des besagten Ortes zu besuchen. Als die Mutter
daher anders als beabsichtigt kam, nämlich ausgetattet mit Soldaten und
einer Gefolgschaft, leistete die Tochter, wie sie es zuvor bestimmt hatte und
nachdem die Schwestern im Kapitel zusammengerufen worden waren, ihr 20
Glaubensgelübde, legte das Ordensgewand an und begann selbst den
angestimmten Wechselgesang „Regnum mundi“. Als die Mutter hörte, wie

^Yolanda von Vianden (ca. 1231-1283), Tochter von Heinrich I. Graf von Vianden und
Margarethe von Courtenay, s. Anm. 49. | 59 Walther von Meisenburg OP, Prior des Trierer
Dominikanerkonvents und Berater der Yolanda von Vianden, s. Anm. 46. | 60S. hierzu
RäPP,Rosenberger, Margarethe und Yolanda von Vianden. Zur Geschichte des 1232
gegründeten Dominikanerinnenklosters von Marienthal s. außerdem HEYART, Das Kloster
Marienthal, S. 11-30. | 6XDie im Text verwendete Formulierung Romanorum moderator legt
nahe, dass Thomas sich auf einen Kaiser des Tateinischen Kaiserreichs von Konstantinopel
bezieht, zu deren Intitulatio diese Bezeichnung gehörte. Yolanda war (über ihre Mutter
Margarethe von Courtenay) die Enkelin von Peter von Courtenay (1165 70 -ca. 1219), der 1217
in Rom zum Kaiser des Lateinischen Kaiserreichs von Konstantinopel gekrönt wurde. S. hierzu
TODT, Art. „Peter". | (,1Hier verweist Thomas offenbar auf die beiden Onkel von Yolanda und
deren Nachkommen. Yolandas Mutter Margarethe von Courtenay hatte zwei Brüder, die Peter
von Courtenay als Kaiser des Lateinischen Kaiserreichs nachfolgten: Robert (gest. 1228),
Kaiser von 1221 bis 1228, sowie Balduin (gest. 1273), Kaiser von 1228 bis 1261. S. hierzu
PRINZING, Art. „Robert von Courtenay", VAN Trigeit, Robert of Courtenay (mit abweichender
Datierung) sowie CARILE, Art. „Balduin II.". Yolandas Cousin Philipp (1240 41-1283), der
Sohn Balduins II., war zudem Titularkaiser des Lateinischen Kaiserreichs. S. hierzu LOCK,
Franks in the Aegean, S. 64-67. | ^Offenbar GottfriedII. von Villehardouin (1195-1246), Fürst
von Achaia von 1228 bis 1246, der mit Agnes von Courtenay, einer Schwester von Yolandas
Mutter Margarethe, verheiratet war. Zur Rolle der Familie Villehardouin im Fürstentum Achaia
s. LOCK, Franks in the Aegean, S. 165.
 
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