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Thomas; Burkhardt, Julia [Editor]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0610
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BUA 11,29

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der Konvent mit sehr frohen Stimmen folgte, wunderte sie sich über den
Wohlklang der plötzlichen Fröhlichkeit und schickte einen von ihren
Leuten, um zu sehen, wer da singe. Jener meldete jener zurück, dass es die
heiligste Yolanda sei, die mit dem Gewand des heiligen Ordens versehen
war. Als die Mutter dies hörte, war sie vom Donner gerührt und stürmte 5
wutschnaubend heran, um ihre Tochter mit sich zu reißen und nachdem sie
nicht gezögert hatte, die Unversehrtheit des Ortes gewaltsam zu verletzen,
führte sie die Entrissene mit sich weg und übergab sie im Palast von
Vianden der strengsten Bewachung. Und siehe, mit welcher Standhaftigkeit
Yolanda siegte. Da sie nur mit den gemäß der Ordensregel 10
vorgeschriebenen Speisen zufrieden war, konnte sie von keiner Macht dazu
gezwungen werden, etwas anderes zu verzehren. Auch andere
Ordens Statuten, von denen Körper oder Geist nicht abgehalten werden
konnten, hielt sie ziemlich streng ein. Als man jener schließlich die
Ordenskleidung weggenommen hatte, bekleidete man sie gewaltsam mit 15
farbigen Kleidern; Nacktheit zu ertragen schickte sich nämlich nicht für ihre
jungfräuliche Sittsamkeit. Was halte ich mich mit Worten auf? Durch
Bischöfe, Äbte, Vorsteher und durch Mönche anderer Profession sowie
durch Religiose unterschiedlicher Herkunft wurde es versucht, und dennoch
konnten sie ihren Geist im Zeitraum von drei Jahren weder zur Rückkehr 20
zum weltlichen Leben noch wenigstens zu einem Orden mit weniger strikter
Lebensweise bewegen. Sie sagte nämlich mit folgenden Worten, wobei sie
sich auf den Apostel stützte: „,In dieser Berufung1, zu der ich berufen
worden bin, werde ich unveränderlich verbleiben.“ Also ließen die Eltern
und Freunde endgültig vom Widerruf jenes Mädchens ab und gestatteten es 25
ihr, zum besagten Ort und Orden zurückzukehren, wo sie sich durch eine
solch vorbildhafte Lebensführung auszeichnete, dass ihr keine Würde der
Tugend zu fehlen schien.64

64Bezeichnenderweise trat Yolandas Mutter Margarethe von Courtenay, gegen deren Veto
Yolanda ihren Ordenseintritt hatte erkämpfen müssen, nach dem Tod ihres Mannes Heinrich
(1252) selbst in das Marienthaler Kloster ein. S. Rapp/Rosenberger, Margarethe und Yolanda
von Vianden, S. 98.
 
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