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[4] Aber ich habe beinahe zur selben Zeit auch eine andere Frau angehört,
die mir unter vielen Tränen beichtete, dass sie, während sie sich mit einem
ähnlichen Laster beschmutzte, die Stimme eines Dämonen gehört hatte, der
ihr sagte: „Tu, Elende, tu, was du tust, und dir wird bald gut vergolten, was
du gerade machst.“ Nicht viel später, als die Frau gebeichtet hatte und sich 5
von der Sünde frei machte, erlitt sie aus größter Furcht den Tod, und was sie
durch die Buße nicht erfüllt hatte, das bezahlte sie im Fegefeuer mit harten
Strafen.
[5] Es gab, wie mir höchst glaubhaft zugetragen worden ist, eine gewisse
Ricarda, eine alte, sehr gottlose Vettel dieses Lasters, die, obwohl sie viele 10
Jahre in einem Kloster verbrachte, dort dennoch keineswegs dem Glauben
oder der Tugend folgte, ja, sie war sogar umso schlimmer, desto mehr sie
ihre Frömmigkeit bekannte. Als sie gestorben war, wurde sie also im
Kloster begraben. Wenig später, in der folgenden Nacht, wurde deutlich
gesehen, wie eine pechschwarze Sau mit ihren sieben Ferkeln derselben 15
Farbe das Kloster betrat, die begrabene Vettel ausgrub, stückweise ihren
beklagenswerten Körper zerfleischte und ihre Eingeweide durch langes
Fortschleppen im ganzen Kloster verstreute. Als dies geschehen war,
verschwand die Sau mit ihren Ferkeln und hinterließ hinter sich
abscheuliche Spuren. Und es ist sehr bemerkenswert und erstaunlich, dass 20
einige von den Nonnen des Klosters die Sau mit ihren Ferkeln nicht hatten
sehen können, aber dafür deren Grunzen ziemlich deutlich hörten. Es ist
freilich sicher, dass die Augen gewisser Leute weniger tauglich sind,
dämonische Erscheinungen wahrzunehmen, die Augen einiger aber von
Natur aus ganz hell leuchtend sind, so dass sich die Dämonen vor ihnen 25
nicht in angenommenen Gestalten verborgen halten können.
[6] Der ehrwürdige Bonifatius, der einst Bischof von Lausanne und dann
Rektor in der Theologie zu Paris war,5 hat mir und vielen anderen damals
berichtet, dass er einen gewissen Kleriker in der Beichte gehört habe, der
^Bonifatius (ca. 1182-1261), seit 1231 Bischof von Lausanne, davor Lector der Alles Liberales
sowie der Theologie an der Universität Paris, Domscholaster in Köln. S. MOREROD, Art.
„Bonifatius“ sowie GLORIEUX, Repertoire I, Nr. 126, S. 291.
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[4] Aber ich habe beinahe zur selben Zeit auch eine andere Frau angehört,
die mir unter vielen Tränen beichtete, dass sie, während sie sich mit einem
ähnlichen Laster beschmutzte, die Stimme eines Dämonen gehört hatte, der
ihr sagte: „Tu, Elende, tu, was du tust, und dir wird bald gut vergolten, was
du gerade machst.“ Nicht viel später, als die Frau gebeichtet hatte und sich 5
von der Sünde frei machte, erlitt sie aus größter Furcht den Tod, und was sie
durch die Buße nicht erfüllt hatte, das bezahlte sie im Fegefeuer mit harten
Strafen.
[5] Es gab, wie mir höchst glaubhaft zugetragen worden ist, eine gewisse
Ricarda, eine alte, sehr gottlose Vettel dieses Lasters, die, obwohl sie viele 10
Jahre in einem Kloster verbrachte, dort dennoch keineswegs dem Glauben
oder der Tugend folgte, ja, sie war sogar umso schlimmer, desto mehr sie
ihre Frömmigkeit bekannte. Als sie gestorben war, wurde sie also im
Kloster begraben. Wenig später, in der folgenden Nacht, wurde deutlich
gesehen, wie eine pechschwarze Sau mit ihren sieben Ferkeln derselben 15
Farbe das Kloster betrat, die begrabene Vettel ausgrub, stückweise ihren
beklagenswerten Körper zerfleischte und ihre Eingeweide durch langes
Fortschleppen im ganzen Kloster verstreute. Als dies geschehen war,
verschwand die Sau mit ihren Ferkeln und hinterließ hinter sich
abscheuliche Spuren. Und es ist sehr bemerkenswert und erstaunlich, dass 20
einige von den Nonnen des Klosters die Sau mit ihren Ferkeln nicht hatten
sehen können, aber dafür deren Grunzen ziemlich deutlich hörten. Es ist
freilich sicher, dass die Augen gewisser Leute weniger tauglich sind,
dämonische Erscheinungen wahrzunehmen, die Augen einiger aber von
Natur aus ganz hell leuchtend sind, so dass sich die Dämonen vor ihnen 25
nicht in angenommenen Gestalten verborgen halten können.
[6] Der ehrwürdige Bonifatius, der einst Bischof von Lausanne und dann
Rektor in der Theologie zu Paris war,5 hat mir und vielen anderen damals
berichtet, dass er einen gewissen Kleriker in der Beichte gehört habe, der
^Bonifatius (ca. 1182-1261), seit 1231 Bischof von Lausanne, davor Lector der Alles Liberales
sowie der Theologie an der Universität Paris, Domscholaster in Köln. S. MOREROD, Art.
„Bonifatius“ sowie GLORIEUX, Repertoire I, Nr. 126, S. 291.