Metadaten

Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0678
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5
10
15
20
25
30

BUA 11,30

673

denn ich habe, als ein gewisser Priester mich gewaltsam bedrängen wollte
und mich gegen meinen Willen küsste, jenen mit der Rückseite meiner
Hand ins Gesicht geschlagen und bewirkt, dass er aus der Nase blutete.
Dafür muss ich, wie mir von Klerikern gesagt wurde, auf alle Arten nach
Rom gehen.“ 5
Während ich daraufhin nur mit Mühe ein schallendes Gelächter
unterdrückte, sprach ich, als ob ich es ernst meinte, und versetzte jene in
Schrecken, als sei sie schwerwiegend vom rechten Weg abgekommen.
Schließlich nahm ich ihren Eid entgegen, dass sie sich meiner Weisung
beugen werde, und sagte jener: „Unter vorangestelltem Eid befehle ich dir, 10
dass wenn jener oder ein anderer Priester dir Gewalt beim Küssen oder bei
Berührungen antun will, du dem, der dich berührt, mit geballter Faust fest
den Kuss herausschlägst, wenn du kannst, und ihn dabei auf keine Weise
schonst, weil es erlaubt ist, die Keuschheit mit einem Schlag zu schützen, so
wie das Leben des eigenen Körpers.“ Als ich dies sagte, rief ich bei allen, 15
die dort waren, und auch bei dem Mädchen selbst, größtes Gelächter und
Heiterkeit hervor.
[52] Wir haben in Frankreich eine Jungfrau gesehen, deren wunderbare
Tugend zu verschweigen nicht nützlich ist. Da sie beider Eltern beraubt war,
diente sie im Haus ihres Bruders, eines Ritters, als Kammerfrau. Weil sie 20
überhaupt keine Scherze irgendeines Mannes zulassen wollte, versuchte
einer der Diener eines Tages, als sie gerade damit beschäftigt war, mit den
Händen gesalzene Speisen zuzubereiten, sie zu küssen, aber vergebens.
Denn bald darauf schlug sie ihm mit der Mörserkeule, mit der sie das Salz
verrieb, auf den Kopf. Verletzt sagte jener daraufhin: „O du Liederlichste, 25
warum hast du mich geschlagen, obwohl ich doch nur scherzen wollte?“
Verdrießlich antwortete sie ihm: „Ich doch auch.“ In der so großen
Unbeugsamkeit ihrer Tugend also wurde die standhafte edle Jungfrau von
Gott so berühmt gemacht, dass die Gräfin von Angouleme sie mit ihrer
Tochter, der Königin von England, einquartierte, damit diese mit deren 30
Gehorsam ausgestattet werde.39 Als sie später auf keine Weise damit

39Offenbar Isabella von Angouleme (um 1188-1246), seit 1200 die Ehefrau Johanns
,, Ohneland“ (1167-1216), König von England. Ihre Eltern waren Adomar von Angouleme (gest.
1202) und Alix von Courtenay (gest. 1218). S. VINCENT, Isabella of Angouleme sowie
WlLKINSON, MaternalAbandonment.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften