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von meinen Sünden los.“ Darauf beschwichtigte jener sie, soweit er es
vermochte, und befahl ihr bis nach dem Ende der Predigt zu warten. Was
mehr? Sie stand wiederum nach kurzer Zeit mit Geschrei auf und verlangte
bald gehört zu werden. Nachdem aber der Prediger schon das Beenden der
Predigt versprochen hatte und jene nicht recht schwieg, stand sie sogleich 5
ein drittes Mal auf, schrie furchtbar, fiel auf ihr Gesicht und starb. Der
Prediger, der gemeinsam mit dem Volk nicht wenig beunruhigt war, bat alle
Anwesenden unter Tränen den Herrn zu bitten, damit er jemanden für
würdig befinde, ihm zu zeigen, was hinsichtlich der Seele der Sünderin
geschehen sei. 10
Unterdessen schlief der Prediger, der für drei Tage in seiner Zelle
eingeschlossen war, kein bisschen und aß auch nicht, sondern verharrte
ununterbrochen im Gebet. In der dritten Nacht nun erschien dem Wartenden
die Seele der Verstorbenen heller als die Sonne und sprach: „Ich bin hier,
die Seele, für die du bittest, und ich bin von aller Strafe erlöst; es bleibt mir 15
nichts, als sogleich zu den Himmlischen aufzufliegen.“ Weil jener innerlich
allzu sehr zögerte, antworte die Seele daraufhin: „Dies sei dir ein Zeichen
dafür, dass du nicht getäuscht wirst: Ein gewisser Magister Johannes5 ist
nun in dieser Stunde in Brabant im Kloster von Oignies in der Diözese
Lüttich verstorben; und so wie er im Leben immer gütig gegenüber den 20
Verachteten und Armen war, so bat er auch jetzt, als seine glückliche Seele
nach dem Tod von den Engeln vor den Ort des Fegefeuers, in dem ich mit
einer unzählbaren Menge festgehalten wurde, hinabgetragen wurde und er
ebendort viele erkannte, deren Heil er veranlasst hatte, von Frömmigkeit
bewegt und in demütiger Weise für diese den Herrn, sie von der Strafe des 25
Fegefeuers zu erlösen. Ohne Zögern wurde er vom Herrn erhört, und zwar
nicht nur für jene, für die er gebetet hatte, sondern auch für mich und viele
andere; und er wurde im Himmel mit größtem Ruhm empfangen.“ Als sie
diese Dinge gesagt hatte, verschwand die Seele vor den Augen des sich
5Johannes von Nivelles, s. Anm. 3.
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von meinen Sünden los.“ Darauf beschwichtigte jener sie, soweit er es
vermochte, und befahl ihr bis nach dem Ende der Predigt zu warten. Was
mehr? Sie stand wiederum nach kurzer Zeit mit Geschrei auf und verlangte
bald gehört zu werden. Nachdem aber der Prediger schon das Beenden der
Predigt versprochen hatte und jene nicht recht schwieg, stand sie sogleich 5
ein drittes Mal auf, schrie furchtbar, fiel auf ihr Gesicht und starb. Der
Prediger, der gemeinsam mit dem Volk nicht wenig beunruhigt war, bat alle
Anwesenden unter Tränen den Herrn zu bitten, damit er jemanden für
würdig befinde, ihm zu zeigen, was hinsichtlich der Seele der Sünderin
geschehen sei. 10
Unterdessen schlief der Prediger, der für drei Tage in seiner Zelle
eingeschlossen war, kein bisschen und aß auch nicht, sondern verharrte
ununterbrochen im Gebet. In der dritten Nacht nun erschien dem Wartenden
die Seele der Verstorbenen heller als die Sonne und sprach: „Ich bin hier,
die Seele, für die du bittest, und ich bin von aller Strafe erlöst; es bleibt mir 15
nichts, als sogleich zu den Himmlischen aufzufliegen.“ Weil jener innerlich
allzu sehr zögerte, antworte die Seele daraufhin: „Dies sei dir ein Zeichen
dafür, dass du nicht getäuscht wirst: Ein gewisser Magister Johannes5 ist
nun in dieser Stunde in Brabant im Kloster von Oignies in der Diözese
Lüttich verstorben; und so wie er im Leben immer gütig gegenüber den 20
Verachteten und Armen war, so bat er auch jetzt, als seine glückliche Seele
nach dem Tod von den Engeln vor den Ort des Fegefeuers, in dem ich mit
einer unzählbaren Menge festgehalten wurde, hinabgetragen wurde und er
ebendort viele erkannte, deren Heil er veranlasst hatte, von Frömmigkeit
bewegt und in demütiger Weise für diese den Herrn, sie von der Strafe des 25
Fegefeuers zu erlösen. Ohne Zögern wurde er vom Herrn erhört, und zwar
nicht nur für jene, für die er gebetet hatte, sondern auch für mich und viele
andere; und er wurde im Himmel mit größtem Ruhm empfangen.“ Als sie
diese Dinge gesagt hatte, verschwand die Seele vor den Augen des sich
5Johannes von Nivelles, s. Anm. 3.