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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0722
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BUA 11,35

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Ordensgewand entkleidet hatte, weltliche Kleidung an. Also beklagte sich
der Abt des Klosters vor einer Zusammenkunft der Vornehmsten der Stadt
beim Bischof und erhob vor dem gesamten Klerus wegen dieser großen
Ungerechtigkeiten Einspruch. Weil der Bischof jedoch entrüstet war und
dies kaum hören wollte und den Abt mit harten Worten eher noch anging, 5
sagte dieser auf gebeugten Knien und maßvollen Worten: „Ich kann gegen
dich, o Vorsteher, auf Erden keinen Richter finden und rufe daher gegen
dich Gott, den höchsten Richter, an, damit jeder von uns beiden sich
innerhalb von vierzig Tagen vor jenem zeigen kann und für seine eigenen
Verdienste ein Urteil erhält.“ Da lachte der Bischof laut auf, machte sich mit 10
seinen Leuten über den Menschen lustig, verspottete ihn und wies den
Vorwurf von sich.
Was mehr? Am vierzigsten Tag starb der besagte Abt etwa zur neunten
Stunde, und weil um seinetwillen feierlich geläutet wurde, fragte der Propst,
der gerade im Bad saß, die Umstehenden, was es gebe. Bald kam ein 15
gewisser Mann herbei und antwortete auf die Frage nach dem
Glockenklang, dass der Abt von St. Jakob gerade verstorben sei und die
Glocken daher so feierlich geläutet würden. Sogleich erinnerte sich der
Propst, dass es der vierzigste Tag war, seit er vom Abt gehört hatte, dass er
vor den höchsten Richter vorgeladen sei, und sagte bestürzt zu seinen 20
Leuten: „Seht schnell, was ich tun soll, ich bin tot, und ich werde mich
heute dem Blick des höchsten Richters zeigen müssen.“ Ohne Verzögerung
starb er nach diesen Worten, während er sich noch beeilte, das Bad zu
verlassen, in den Armen derjenigen, die bei ihm standen, mit lautem
Wehklagen und Geschrei; und zweifellos gezwungen, dort zu antworten, wo 25
das Getöse der Streitparteien aufhört, schwieg er mit dem Beistand der
Rechtskundigen, wo weder Bitten noch Geld ihn befreien werden und wo
auch keine Zwischenrufe das Urteil des Richters aufschieben werden.
 
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