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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0734
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BUA 11,36

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gemacht werde. Als aber der junge Mann nach dem Beischlaf, nun also
seiner Unschuld beraubt, aus dem Haus heraustrat und entschied, wie zuvor
das glühende Eisen zu berühren, erlitt er eine schwere Verbrennung und
schrie auf. Angesichts dieser Begebenheit war der Abt nicht wenig bestürzt
und verwundert, und er bemerkte, dass der äußerlich verletzte junge Mann 5
eine innere Verletzung an der Seele hatte und dass er seine frühere
Unschuld, welche ihn gegen das Feuer beschützt hatte, verloren hatte. Als er
den jungen Mann also wieder zum Kloster zurückgeführt hatte, erkundigte
sich der Abt gewissenhaft nach dessen Taten, und jener bekannte höchst
arglos die Wahrheit und leistete so zitternd unter vielen Tränen seine Buße. 10
[3] Eine gegen Dämonen mächtige Reinheit beweisen auch die
wundersamen Taten des Cyprian und der Jungfrau Justina,3 wo man liest,
dass Cyprian, der noch als Knabe von einem Zaubermeister angetrieben
worden war, achtzehn Jahre lang die Reinheit jungfräulicher Unschuld
gehütet hätte, um durch diese eine größere Wirksamkeit und Macht gegen 15
Dämonen zu haben.
[4] Darüber haben wir aus dem höchst glaubhaften Bericht von denen, die
anwesend waren und es gesehen haben, erfahren, dass sich in der Stadt
Mechelen in Brabant etwas sehr Bemerkenswertes ereignet hat. Ein
gewisses Mädchen hatte am heiligen Sonntag sehr lange mit jungen 20
Männern getanzt; ermüdet kehrte sie schließlich nach Hause zurück.4 Wenig
später, als sie sich zu schlafen anschickte, wurde sie von einem Dämon
erfüllt. Auf ihr Geschrei hin stand die Familie auf, und sie banden das
tobende Mädchen mit Fesseln fest; am Morgen wurde sie zur Kirche der
ruhmreichen Jungfrau in Hanswijk außerhalb der Stadt gebracht.5 Dort 25
zeigte nämlich Maria, die Verursacherin von Tugenden, häufig mehrere
Wunder. Als dies die Schulknaben hörten, liefen sie zu dem Ort, wo das
Mädchen geplagt wurde, zur Kirche. Einer von ihnen, der beinahe zwölf
Jahre alt sowie kühner und klüger als die Übrigen war, begann den Dämon

"Märtyrerlegende (entstanden etwa um 350), wonach Cyprian von Antiochia (gest. um 304), ein
heidnischer Zauberer, einem jungen Mann zu helfen versuchte, um die Liebe der Christin
Justina zu gewinnen. Nachdem Cyprian sich jedoch selbst in Justina verliebt habe, sei er zum
Christentum bekehrt worden. Gemeinsam mit Justina habe er in Nikomedia im Zuge der
Christenverfolgungen unter Kaiser Diokletian schließlich den Märtyrertod erlitten. S. hierzu
BAUMEISTER, Art. „Cyprian“. I ‘'Die folgende Episode präsentiert mit der Besetzung des
Mädchens durch Dämonen eine drastische Sanktionsform gegen den Tanz, den das Mädchen
unerlaubterweise an einem Sonntag praktiziert hat. Zu mittelalterlichen Normvorstellungen in
Bezug auf das Tanzen s. ROHMANN, Tanzwut, S. 180-192. | 5Liebfrauenbasilika in Mechelen,
aufgrund des örtlichen Marienkultes ein bedeutender Pilgerort. S. hierzu INSTALLE, Mechelen, S.
25-31.
 
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