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BUA 11,39
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ehrenwerte Rotardus, der aus königlichem Hause stammte und damals
freilich Archidiakon in Reims, aber in Chälons-sur-Marne zum Bischof
gewählt war,* 6 ohne Hochzeitsgewand7 mit einer großen Menge Adeliger
anwesend. Nachdem der heilige Leichnam im Chor der Kathedralkirche
bestattet worden war, wie es sich gehörte, lud der Dekan alle Kanoniker und 5
dazu auch den Elekten von Chälons-sur-Marne selbst zum Kapitel vor.
Während also die Übrigen ihre Plätze einnahmen, sagte der Dekan zu dem
Elekten: „Ihr habt bis heute, wie ich glaube, noch nicht das Archidiakonat
oder die Kanonikerpfründe zurückgegeben.“ Zu ihm sagte der Elekt: „Bis
jetzt noch nicht.“ Und der Dekan sagte: „Erhebt euch also, legt der Kirche 10
Rechenschaft ab und bereitet den Rücken vor den Brüdern zur Züchtigung
vor, weil ihr entgegen der Regel ohne Hochzeitsgewand mit den Kanonikern
den Chor betreten habt.“ Und ohne Zögern stand der Elekt auf und beugte
sich vor; dann zog er seine Kleider aus und erhielt von der Hand des Dekans
eine sehr deutliche Züchtigung. Nachdem er sie erhalten hatte, richtete sich 15
der Elekt, der wieder mit den Kleidern angetan war, auf und sagte in
Anwesenheit aller mit der dankbarsten Miene zum Dekan: „Ich danke Gott
und der Schutzherrin der Kirche von Reims, dessen äußerst frommer
Mutter, dass ich einen wie dich hier zur Leitung zurücklasse. Von nun an
werde ich diesen Ort mehr schätzen und an diesem Sitz stets die würdige 20
Erinnerung an die Wahrheit verehren.“ Mit diesen Worten gab er das
Archidiakonat und die Kanonikerpfründe zurück und bewahrheitete damit
an sich jenes bekannte Sprichwort: Je höher das Haupt, desto weicher der
Hals. Es ziemt sich nämlich wunderbar, dass die Erhabenheit des Edelmutes
durch die Mäßigung der Demut erweicht wird. Ich schließe aber aus der 25
Erzählung so viel: Ebenso wie ein Beispiel der Tugend beim Gezüchtigten
zurückgelassen wird, hatte beim Vorsteher die Standhaftigkeit des
Züchtigenden überwogen, während der edle Bischof-Elekt die sehr starke
Zurechtweisung einer kleinen Schuld mit Geduld und Demut aushielt, und
jener auch bei einem so großen Mann nicht erduldete, dass das straflos 30
bleibe, von dem er sah, dass es ohne Zurechtweisung in Zukunft für andere
einen Fehltritt bedeuten könnte.
^Offenbar Rotrou du Perche (gest. 1201), der 1190 zum Bischof von Chälons-sur-Marne
gewählt worden war S. hierzu THOMPSON, Power and border lordship, S. 108, 134 und 146.
7Liturgische Bekleidung eines Priesters. Sie steht hier symbolisch für das Hochzeitsgewand
(nuptialis vestis/ das im biblischen Gleichnis von der königlichen Hochzeit (Mt 22) als Sinnbild
des Gehorsams gegenüber Gott beschrieben wird.
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ehrenwerte Rotardus, der aus königlichem Hause stammte und damals
freilich Archidiakon in Reims, aber in Chälons-sur-Marne zum Bischof
gewählt war,* 6 ohne Hochzeitsgewand7 mit einer großen Menge Adeliger
anwesend. Nachdem der heilige Leichnam im Chor der Kathedralkirche
bestattet worden war, wie es sich gehörte, lud der Dekan alle Kanoniker und 5
dazu auch den Elekten von Chälons-sur-Marne selbst zum Kapitel vor.
Während also die Übrigen ihre Plätze einnahmen, sagte der Dekan zu dem
Elekten: „Ihr habt bis heute, wie ich glaube, noch nicht das Archidiakonat
oder die Kanonikerpfründe zurückgegeben.“ Zu ihm sagte der Elekt: „Bis
jetzt noch nicht.“ Und der Dekan sagte: „Erhebt euch also, legt der Kirche 10
Rechenschaft ab und bereitet den Rücken vor den Brüdern zur Züchtigung
vor, weil ihr entgegen der Regel ohne Hochzeitsgewand mit den Kanonikern
den Chor betreten habt.“ Und ohne Zögern stand der Elekt auf und beugte
sich vor; dann zog er seine Kleider aus und erhielt von der Hand des Dekans
eine sehr deutliche Züchtigung. Nachdem er sie erhalten hatte, richtete sich 15
der Elekt, der wieder mit den Kleidern angetan war, auf und sagte in
Anwesenheit aller mit der dankbarsten Miene zum Dekan: „Ich danke Gott
und der Schutzherrin der Kirche von Reims, dessen äußerst frommer
Mutter, dass ich einen wie dich hier zur Leitung zurücklasse. Von nun an
werde ich diesen Ort mehr schätzen und an diesem Sitz stets die würdige 20
Erinnerung an die Wahrheit verehren.“ Mit diesen Worten gab er das
Archidiakonat und die Kanonikerpfründe zurück und bewahrheitete damit
an sich jenes bekannte Sprichwort: Je höher das Haupt, desto weicher der
Hals. Es ziemt sich nämlich wunderbar, dass die Erhabenheit des Edelmutes
durch die Mäßigung der Demut erweicht wird. Ich schließe aber aus der 25
Erzählung so viel: Ebenso wie ein Beispiel der Tugend beim Gezüchtigten
zurückgelassen wird, hatte beim Vorsteher die Standhaftigkeit des
Züchtigenden überwogen, während der edle Bischof-Elekt die sehr starke
Zurechtweisung einer kleinen Schuld mit Geduld und Demut aushielt, und
jener auch bei einem so großen Mann nicht erduldete, dass das straflos 30
bleibe, von dem er sah, dass es ohne Zurechtweisung in Zukunft für andere
einen Fehltritt bedeuten könnte.
^Offenbar Rotrou du Perche (gest. 1201), der 1190 zum Bischof von Chälons-sur-Marne
gewählt worden war S. hierzu THOMPSON, Power and border lordship, S. 108, 134 und 146.
7Liturgische Bekleidung eines Priesters. Sie steht hier symbolisch für das Hochzeitsgewand
(nuptialis vestis/ das im biblischen Gleichnis von der königlichen Hochzeit (Mt 22) als Sinnbild
des Gehorsams gegenüber Gott beschrieben wird.