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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0770
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ihnen Folgendes vollkommen erfüllt werden konnte: „Denn auch das, was
von den Gedanken übrigbleibt, macht einen Festtag.“ Ich habe von ihnen
zwei gekannt, den Prior nämlich und Robert, den man „Coquinarius“
nannte; die Namen der Übrigen konnte ich nicht wissen.10
[8] Hinsichtlich des Lobgesangs der Engel ereignete sich auch jenes 5
Wunder, das ich nun anführe. Die „Kammer der heiligen Maria“ ist ein
Kloster von Nonnen des Zisterzienserordens in Brabant bei Brüssel.11 An
diesem Ort gab es einen Kaplan mit Namen Gottfried, einen sehr frommen,
von mir sehr geschätzten und sehr bekannten Mann. Dieser wurde beinahe
vierzehn Jahre lang durch die schreckliche Qual einer inneren Verletzung 10
seiner Eingeweide geplagt, und hörte dennoch niemals auf zu predigen oder
für das Seelenheil der Menschen zu sorgen. Es geschah also, dass er vor
Mitternacht von einem plötzlichen Tod fortgerissen wurde und eine Melodie
und ein wunderbarer Engelsgesang ertönten, als ob man es von einem Ort
bei der Kirche hörte. Bei diesem Gesang erstarrte der Wächter wie vom 15
Donner gerührt und er wunderte sich, warum der Konvent früher als
gewohnt aufgestanden war und das Fest welchen Heiligen es sei, das man in
einer feierlichen Nacht mit solch ungewohnten Stimmen und Gesängen
pries. Er konnte nämlich nicht annehmen, dass der Gesang anderswoher
kam als von den Nonnen innerhalb des Chores. Als jener Gesang also 20
aufhörte, fiel die Uhr,12 die Glocke wurde geläutet und so erführ der
Wächter zuerst, dass es der Gesang der Himmlischen, nicht aber der Nonnen
war. Als am Morgen also der Tote aufgefünden wurde, offenbarte sich allen,
dass beim Tod des heiligen Mannes das Heer der Engel mit solchen
Siegestänzen jauchzte. Dieses über den buchstäblichen Lobgesang der 25
Bienen zum Lob und Ruhm Christi: Und freilich reicht das, was über den
klangvollen Gesang der Engelsseelen gesagt wurde, nicht aus, und deshalb
wollen wir nun über den geistlichen Gesang der gläubigen Bienen sprechen.

wKeine der beiden Personen (Johannes oder Robert) ist mittels der bei BOYDEN/MAINES, The
establishment of the house aufbereiteten prosopographischen Daten eindeutig zu identifizieren.
Unter den ersten Mitgliedern der Abtei werden für das frühe 12. Jh. (also zeitlich passend) zwar
sowohl ein Johannes als auch ein Robert genannt, jedoch keine näheren Angaben zu ihnen
gemacht. S. BOYDEN/MAINES, The establishment of the house, S. 72-74.
uZisterzienserinnenkloster Ta Cambre, gegründet ca. 1201 durch eine Stiftung Heinrichs I.
(1165-1235), Herzog von Brabant seit 1190, und seiner Frau Mathilde. S. hierzu DESPY, Art.
„Cambre, La“. | l2Der Begriff des „Fallens der Uhr“ nimmt auf die mechanische
Funktionsweise der frühen (Wasser-)Uhren in Klöstern Bezug. S. hierzu DOEIRN-VAN ROSSUM,
Geschichte der Stunde, S. 58-66.
 
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