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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0810
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BUA 11,46

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begrünen ließ, um durch die starke Tugend dieser unserer Seelen
verschiedene Krankheiten auf höchst wirksame Weise zu besiegen. Wir, die
wir also an Feldern, Blumen, Bächen und süßen Kräutern hängen, bemühen
uns eifriger, bei einzelnen Tugenden die Gerüche kennenzulemen. Wir
wollen zuerst eifrig das Gebet und später die Lesung betreiben, damit das 5
Gebet Vorrang vor dem Studium hat und den Verstand vorbereitet.
[2] Über das Studium der Lesung aber sagt der höchst ruhmreiche
Augustinus1 Folgendes: „Nähre deine Seele mit göttlichen Lesungen, denn
sie werden dir geistige Verpflegung bereiten.“ „Der Genuss göttlicher
Aussprüche nämlich bedeutet Süße für den Gaumen des Herzens, und 10
solange er mit Begierde genossen wird,“ ist er nützlich, wenn er beherrscht
wird. In diesem gegenwärtigen Licht halte ich nämlich nichts für
erfreulicher als den Becher der Schriften, von dem jede Honigsüße
übertroffen wird. Der Mensch also, der Gott fürchtet, soll dessen Willen in
den heiligen Schriften sorgfältig erforschen und durch Frömmigkeit milde 15
werden, damit er nicht Wettkämpfe schätzt. Eine fromme Neigung nämlich
dringt durch, und die hochmütige Geschwätzigkeit schließt sich ihr nicht an,
was im Buch Daniel einleuchtend gezeigt wird.
[3] Was aber die Philosophen über das Studium der Weisheit denken,
wollen wir kurz sehen. „Die größte Sache hat dir die Weisheit versprochen, 20
nämlich dass sie dich zu dir zurückführt.“ „Schaffe dir eine solche Seele,
dass in ihr viele Fertigkeiten sind, viele Regeln sowie Beispiele vieler
Zeiten.“ „Nichts zu haben, zu dem du dich ermunterst oder an dem du die
Festigkeit deiner Seele prüfst, sondern in unerschütterter Muße zu liegen
bedeutet keine Ruhe, sondern Schlechtigkeit.“ „Die Weisheit ist eine große 25
und weitläufige Sache und sie benötigt einen freien Ort.“ „Die Tugend wird
sich nicht in diese Bedrängnisse begeben.“ Eine große Sache verlangt einen
ausgedehnten Raum. Alle Dinge werden vertrieben, die ganze Brust soll für
sie frei sein.“ „Das Streben nach freien Künsten macht die Menschen lästig,
geschwätzig, unangenehm und selbstgefällig; und sie lernen deshalb nicht, 30

1Hl. Augustinus (354-430), Kirchenlehrer, seit 396 Bischof von Hippo Regius. S. für weitere
Informationen Thom. Cantimpr. BUA 1,1,1.
 
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