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Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0820
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BUA 11,47

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[3] Aber zu unserer Zeit versuchte in der Stadt Antwerpen, die in Brabant
am Meer liegt, ein gewisser Mann namens Wilhelm Cornelius,3 durch über
die Maßen unvernünftige Irrlehren das Glaubensgewand des Herrn zu
zerreißen. Dieser lebte freilich ziemlich lange in Heuchelei und Verstellung;
gleichsam unter dem Vorwand vollkommener Armut verzichtete er auf die 5
Auszeichnung der Pfründe und war dennoch vollständig dem Luxus
hingegeben. Er sagte aber, dass so wie der Rost durch das Feuer auch jede
Sünde durch die Armut verzehrt und vor den Augen Gottes nichtig gemacht
werde. Eine arme öffentliche Dirne sei besser als jemand, der gerecht sei,
sich äußerst anständig verhalte und etwas zu seiner Unterstützung 10
zurückbehalte, und deswegen seien alle Religiösen gänzlich verdammt.
Dass er aber einem Armen sagte, dass Luxus keine Sünde sei, war die
größte Gotteslästerung, als wollte der gerechteste Gott ungerechter als
diejenigen sein, denen er selbst vorschrieb: „Du wirst die Armen bei einem
Urteil nicht begünstigen.“ 15
Über diesen haben wir aber aus äußerst sicherer Quelle erfahren, dass,
nachdem er verstorben und in der Kirche der Heiligen Jungfrau4 mit Ehren
begraben worden war, ein gewisser Mann am dritten Tag dieselbe Kirche
betreten hatte und mit leibhaftigen Augen das Grab des besagten Wilhelm
Cornelius leer und geöffnet vorfand, wobei er durch dieses höchst erwiesene 20
Zeichen das Geschehnis künftiger Verdammung vorausahnte. Denn nach
vier Jahren wurden die liederlichen Übeltaten jenes Ketzers durch unseren
ehrwürdigen Vater Nikolaus, den Bischof von Cambrai,5 erkannt, enthüllt
und bewiesen; sein Leichnam wurde gemäß der Rede Jesajas über
Nebukadnezar „wie eine überflüssige Wurzel aus dem Grabmal“ gerissen 25
und verbrannt.

3 Willem Cornelis (gest. um 1245), Vertreter einer radikalen Armutslehre in der Tradition des
Wanderpredigers Tanchelm (gest. 1115), die er in der Gegend um Antwerpen verbreitete. S.
PlRENNE, Geschichte Belgiens, S. 415-416 sowie PLEIJ, Dreaming of Cockaigne, S. 312-313 und
329. | ‘''Liebfrauenkathedrale in Antwerpen. Die ursprüngliche Marienkapelle erhielt 1124 die
Pfarrrechte für Antwerpen und wurde seitdem zu einer größeren Kirche ausgebaut. S. hierzu
VERHULST, Art. „Antwerpen“. | ^Nicolas de Fontaines, Bischof von Cambrai 1248-1272. Zu
Cambrai in seiner Zeit s. Histoire de Cambrai, S. 61-88.
 
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