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christlichen Völker und die Menge der einfachen Leute so äußerst schädlich,
dass für deren verdammungswürdige und unerträgliche Ausgaben kaum
irgendeine Menge an Land genügt. Reiche Bauern werden enterbt, Bürger
der Städte ausgeplündert, Arme vollkommen beraubt und kaum ein Bissen
Brot bleibt ihnen. Und es geschieht so viel davon, dass der Name eines 5
rechtschaffenen Ritters durch den Klang der applaudierenden Marktschreier
lang und breit verbreitet wird. Und sicherlich „geht der Name dieser Ritter
mit Getöse zu Grunde“, sobald der Klang der Stimmen sich überall
verbreitet hat.
Was hat ein rechtschaffener Ritter im Hinblick auf solches Lob mehr als das 10
Pferd Bayard?* * * * 5 Wilhelm von Barres6 hielt man zu unserer Zeit für den
besten Ritter. Sein Name erschallte, solange er lebte; schon als er selbst
gestorben war, hörte man ihn jedoch nicht mehr. Das Pferd Bayard aber
stand zur Zeit Karls7 in Ansehen. Es starb schon vor mehr als 500 Jahren
und sein Ruhm hat bis heute überdauert. Bukephalos,8 das Pferd Alexanders 15
des Großen, des Königs der Makedonen,9 verdiente es sich wegen seiner
Ehrenhaftigkeit, dass nach seinem Tod die Stadt Bukephalia nach seinem
Namen benannt wurde.10 Und du, Ritter, du, Gefolgsmann, was hast du
Ähnliches durch deine Rechtschaffenheit verdient?
[4] Höre, was zu unserer Zeit geschehen ist und von ganz Deutschland 20
bezeugt wird. Ungefähr im Jahre 1243 der Fleischwerdung des Herrn kamen
nahe Neuss, einer edlen Stadt oberhalb des Rheins, viele Adelige, Herzöge,
Grafen, Barone und Ritter zu einem Turnier zusammen.11 Dazu kam ein
^Sagenhaftes Pferd der so genannten Haimonskinder (Adelhart, Ritsart, Writsart und Reinold,
die Söhne des Haymon von Dordogne), die mit der Spannung zwischen Gehorsam gegenüber
dem König und eigenen Familieninteressen ringen und bei ihren Erlebnissen immer wieder von
Bayard gerettet werden. S. zum Kontext RÖCKE, Art. „ Vier Haimonskinder“. | ^Wilhelm
(Guillaume) von Barres (gest. 1233), Graf von Rochefort, war Ritter in den Diensten König
Ludwigs IX. von Frankreich. S. PLATELLE, Les exemples, S. 301 sowie BALDWIN, Governmernt,
S. 114. | 7Karl „der Große“ (um 747-814), König der Franken seit 768, König der
Langobarden seit 774, seit 800 erster Kaiser des Mittelalters. S. aus der Fülle der Literatur
folgende monographische Studien: FRIED, Karl der Große, HARTMANN, Karl der Große sowie
WEINFURTER, Karl der Große. | ^Bukephalos, legendäres Streitross, das Alexander „der
Große“ (s. Anm. 9) in jungen Jahren als Geschenk seines Vaters Philipp von Makedonien
erhielt. | 9Alexander „der Große“ (356-323 v. Chr), König von Makedonien seit 336 v. Chr.
S. für weitere Informationen Thom. Cantimpr BUA 11,33,2. | wAlexandreia Bukephalos, 326 v.
Chr. im heutigen Pakistan durch Alexander „den Großen“ gegründet und zu Ehren seines
Pferdes benannt. | nIm Mittelpunkt des folgenden Erzählstücks steht das „berüchtigte“
Ritterturnier von Neuss, das im Jahr 1241 stattgefunden haben dürfte und bei dem offenbar eine
beachtliche Anzahl an Rittern und Knappen zu Tode kam. Regionale Quellen wie etwa die
Annalen von St. Pantaleon in Köln vermerken den Tod von ca. 100 Teilnehmern und deuten das
in Hitze oder übermäßiger Anstrengung begründete Sterben als göttliches Verdikt. S. hierzu
Annales S. Pantaleonis Coloniensis, S. 536 sowie ZOTZ, Adel, Bürgertum und Turnier.
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christlichen Völker und die Menge der einfachen Leute so äußerst schädlich,
dass für deren verdammungswürdige und unerträgliche Ausgaben kaum
irgendeine Menge an Land genügt. Reiche Bauern werden enterbt, Bürger
der Städte ausgeplündert, Arme vollkommen beraubt und kaum ein Bissen
Brot bleibt ihnen. Und es geschieht so viel davon, dass der Name eines 5
rechtschaffenen Ritters durch den Klang der applaudierenden Marktschreier
lang und breit verbreitet wird. Und sicherlich „geht der Name dieser Ritter
mit Getöse zu Grunde“, sobald der Klang der Stimmen sich überall
verbreitet hat.
Was hat ein rechtschaffener Ritter im Hinblick auf solches Lob mehr als das 10
Pferd Bayard?* * * * 5 Wilhelm von Barres6 hielt man zu unserer Zeit für den
besten Ritter. Sein Name erschallte, solange er lebte; schon als er selbst
gestorben war, hörte man ihn jedoch nicht mehr. Das Pferd Bayard aber
stand zur Zeit Karls7 in Ansehen. Es starb schon vor mehr als 500 Jahren
und sein Ruhm hat bis heute überdauert. Bukephalos,8 das Pferd Alexanders 15
des Großen, des Königs der Makedonen,9 verdiente es sich wegen seiner
Ehrenhaftigkeit, dass nach seinem Tod die Stadt Bukephalia nach seinem
Namen benannt wurde.10 Und du, Ritter, du, Gefolgsmann, was hast du
Ähnliches durch deine Rechtschaffenheit verdient?
[4] Höre, was zu unserer Zeit geschehen ist und von ganz Deutschland 20
bezeugt wird. Ungefähr im Jahre 1243 der Fleischwerdung des Herrn kamen
nahe Neuss, einer edlen Stadt oberhalb des Rheins, viele Adelige, Herzöge,
Grafen, Barone und Ritter zu einem Turnier zusammen.11 Dazu kam ein
^Sagenhaftes Pferd der so genannten Haimonskinder (Adelhart, Ritsart, Writsart und Reinold,
die Söhne des Haymon von Dordogne), die mit der Spannung zwischen Gehorsam gegenüber
dem König und eigenen Familieninteressen ringen und bei ihren Erlebnissen immer wieder von
Bayard gerettet werden. S. zum Kontext RÖCKE, Art. „ Vier Haimonskinder“. | ^Wilhelm
(Guillaume) von Barres (gest. 1233), Graf von Rochefort, war Ritter in den Diensten König
Ludwigs IX. von Frankreich. S. PLATELLE, Les exemples, S. 301 sowie BALDWIN, Governmernt,
S. 114. | 7Karl „der Große“ (um 747-814), König der Franken seit 768, König der
Langobarden seit 774, seit 800 erster Kaiser des Mittelalters. S. aus der Fülle der Literatur
folgende monographische Studien: FRIED, Karl der Große, HARTMANN, Karl der Große sowie
WEINFURTER, Karl der Große. | ^Bukephalos, legendäres Streitross, das Alexander „der
Große“ (s. Anm. 9) in jungen Jahren als Geschenk seines Vaters Philipp von Makedonien
erhielt. | 9Alexander „der Große“ (356-323 v. Chr), König von Makedonien seit 336 v. Chr.
S. für weitere Informationen Thom. Cantimpr BUA 11,33,2. | wAlexandreia Bukephalos, 326 v.
Chr. im heutigen Pakistan durch Alexander „den Großen“ gegründet und zu Ehren seines
Pferdes benannt. | nIm Mittelpunkt des folgenden Erzählstücks steht das „berüchtigte“
Ritterturnier von Neuss, das im Jahr 1241 stattgefunden haben dürfte und bei dem offenbar eine
beachtliche Anzahl an Rittern und Knappen zu Tode kam. Regionale Quellen wie etwa die
Annalen von St. Pantaleon in Köln vermerken den Tod von ca. 100 Teilnehmern und deuten das
in Hitze oder übermäßiger Anstrengung begründete Sterben als göttliches Verdikt. S. hierzu
Annales S. Pantaleonis Coloniensis, S. 536 sowie ZOTZ, Adel, Bürgertum und Turnier.