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Thomas; Burkhardt, Julia [Editor]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 2): Analyse, Edition, Übersetzung und Kommentar — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.53742#0874
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BUA 11,50

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Eltern ihr aber schlicht ihre Heiligkeit neideten, gaben sie Elisabeth einem
höchst geschätzten Ritter zur Frau, obgleich das gegen ihren Willen war. Sie
verbrachte mit ihm ein unbescholtenes Jahr in einem Bett und blieb dennoch
eine unbefleckte Jungfrau.
[5] Ihr folgte beinahe drei Jahre lang Schritt für Schritt das Bild des 5
Gekreuzigten von überall her, und wenn sie irgendwann einmal etwas
Unkeusches oder Schädliches erwogen hatte, legte das Bild seine vom
Kreuz ausgestreckte Hand auf ihre Brust und schlug die Unannehmlichkeit
geradewegs in die Flucht.
[6] An einem gewissen Tag wurde Elisabeth, die sich öfter Unterredungen 10
mit Engeln angewöhnt hatte, zu der reizvollen Gegend des blühenden
Paradieses emporgehoben, wo sie freilich, wie sie mir selbst gebeichtet hat,
Abbilder nicht nur von den bis dahin Lebenden und den damals Geborenen,
sondern auch von denen, die später geboren werden sollten und die, so sage
ich, von jener Zeit der Vision bis zum Ende der Welt zu erlösen waren, sah. 15
Und was noch erstaunlicher ist: Sie erkannte, in welchem Stand - sei es der
Ehe, der Witwenschaft oder der Jungfräulichkeit - ein jeder zu bezeichnen
war. Als sie also später diejenigen im Leben sah, deren Abbilder sie im
Himmel gesehen hatte, erkannte sie diese auf eigentümliche Weise am
Gesicht, obgleich sie sie zuvor nicht gekannt hatte; und plötzlich erkannte 20
sie in einem Augenblick die Unterschiede in Bezug auf Geist und Stand des
Einzelnen. Christus aber sei mir Richter und Zeuge am Tag des Gerichts,
wenn ich falsch spreche; ich selbst habe an mir höchst glaubwürdig die
Wahrheit dieser Sache erkannt, als sie mir meinen Stand, den kein Mensch
außer meinem Beichtvater kannte, heller als das Licht aufzeigte. Dies habe 25
ich auch von vielen anderen, mit denen sie dasselbe machte, aus höchst
zuverlässiger Quelle erfahren.
Noch dazu mehrte jenes Wunder sehr, was sich bei jenem edlen Mädchen,
der Elisabeth von Asse,3 auf offensichtlichste Weise ereignete. Als sie diese
in Prunk und mit dem Schmuck weltlichen Ruhms gesehen hatte, in jener 30

^Möglicherweise ein Mitglied der Familie van Assche (Asse), die in der Herrschaft Grimbergen
(bei Brüssel) ansässig waren. S. hierzu WAUTERS, Histoire des environs II, S. 157-216.
 
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